Ingolstadt
Uneingeschränkter Badespaß

Aktionsplan Inklusion: Das Ingolstädter Freibad wurde komplett barrierefrei umgebaut

24.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:54 Uhr
Endlich kann er selbstständig schwimmen gehen. Daniel Koller und die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Inge Braun, testen den neuen Badelift (oben); Roland Regler, Betriebsleiter des Freibads, hilft Koller dabei, auf die Rampe zu fahren (unten links); Koller steigt auf die angepasste Liege, daneben der neu angeschaffte Duschrollstuhl. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Das Ingolstädter Freibad wurde diesen Sommer barrierefrei umgebaut. Neben Anpassungen bei Umkleiden, Duschen und Toiletten wurde auch ein neuer, selbst zu bedienender Badelift installiert. Der Umbau soll mit der bereits vorhandenen behindertengerechten Einrichtung den Badespaß für Menschen im Rollstuhl so unkompliziert wie möglich machen.

Bei den hohen Temperaturen der vergangenen Wochen zog es viele Ingolstädter zum Wasser, um sich bei einem Bad im See oder Freibad etwas abzukühlen. Der Aufwand, den man betreiben muss, bis man sich genüsslich erfrischen kann, hält sich dabei in Grenzen. Doch was für viele selbstverständlich erscheint, gestaltet sich nicht für jeden so einfach. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, also vor allem Personen, die aus unterschiedlichen Gründen an einen Rollstuhl gebunden sind, müssen weitaus mehr Dinge beachten, um am Badespaß teilhaben zu können. Viele trauen sich oft nicht, Freizeiteinrichtungen zu nutzen, denn es stellen sich einige Fragen: Sind behindertengerechte Parkplätze vorhanden? Ist das Gelände mit Rollstuhl zu erschließen? Wie komme ich in das Schwimmbecken? Sind barrierefreie Umkleiden, Duschen und Toiletten vorhanden oder muss ich mit nasser Badebekleidung nach Hause fahren?

Laut UN-Konvention, die seit 2009 in Deutschland gilt, muss dafür gesorgt werden, dass Menschen mit Behinderung überall teilhaben können. Zugegebenermaßen gestaltet sich ein barrierefreier Umbau bei Seen eher schwierig, anders allerdings sieht das bei öffentlichen Bädern aus. Im Rahmen des fünfjährigen Aktionsplans Inklusion, der Ende 2014 in der Stadt in Auftrag gegeben wurde, ist nun auch das Freibad endgültig und so gut es möglich war barrierefrei umgebaut oder angepasst worden. Das Besondere dieses Aktionsplans, der sich neben dem Bereich Freizeit auch mit Bildung, Gesundheit, Arbeit, Bauen und Wohnen beschäftigt, ist, dass Verbände und Betroffene von der Beauftragten für Menschen mit Behinderung, Inge Braun, in die Pläne miteinbezogen wurden. Denn wer weiß schon besser, was gebraucht wird oder was nicht, als die Betroffenen selbst?

Auch bei den nötigen Anpassungen im Freibad hat sich dieses System bewährt. Die Beauftragte Inge Braun und Daniel Koller (39), der selbst im Rollstuhl sitzt und maßgeblich an den Planungen beteiligt war, können das nur bestätigen. Oft fänden sich auch billigere und praktischere Lösungen, wenn beide Seiten Bereitschaft zeigen und zusammenarbeiten. Wenn streng nach DIN-Norm und Bauordnung gebaut werde, seien die Ergebnisse zwar meist schön und teuer, für die Betroffenen aber oft nicht praktikabel, wie Daniel Koller erzählt. Als Beispiel nennt er einen elektrischen Türöffner, der normalerweise eingebaut werde. In diesem Fall konnte das Problem aber weitaus kostensparender und etwa genauso praktikabel gelöst werden: Der automatische Schließmechanismus wurde entfernt und ein Griff in Rollstuhlhöhe auf die Breite der Tür angebracht. Dass sich die Tür jetzt mit Körperkraft statt automatisch öffnen lässt, stört Daniel Koller nicht.

Auch der für einen Rollstuhlfahrer steile Weg vom Eingang zur Umkleide ist für ihn kein Hindernis. "Es muss nicht alles 1000 Prozent passen", findet er, "Man sollte machen, was möglich ist, aber man muss auch kompromissbereit sein". Der barrierefreie und behindertengerechte Umbau gestaltet sich von Fall zu Fall unterschiedlich. "Bei Neubauten kann alles im Voraus geplant werden. Bei Bestandsbauten wird versucht, die oft älteren Gebäude so gut es geht den Bedürfnissen anzupassen", erklärt Inge Braun. Deutlich wird das an den Toiletten am Springerbecken, die wegen der schmalen Gänge nur für Sportrollstühle umgebaut werden konnten. "Man merkt, dass die Verantwortlichen aufgeschlossener sind und mehr Bereitschaft zeigen, Betroffene mit ins Boot zu holen", stellt Daniel Koller zufrieden fest.

Die Ergebnisse im Freibad bestätigen das und können sich sehen lassen. Vor zwei Jahren fand der erste Rundgang der beiden satt, bei dem die Probleme angesprochen wurden. Ende Mai dieses Jahres wurde das Projekt dann fertiggestellt. Oft reichen kleine, aber feine Anpassungen aus, um den Alltag zu erleichtern. Früher kam Daniel Koller bereits umgezogen ins Bad und fuhr danach mit nasser Badehose und Handtuch auf dem Sitz wieder nach Hause. Die Umkleide, die gleichzeitig auch ein Wickelraum ist, war für ihn nicht brauchbar. Jetzt wurde eine breitere Sitzbank installiert und auf die richtige Höhe gekürzt. Diese gepolsterte Behandlungsliege ist fest verankert und gut mit dem Rollstuhl erreichbar. Außerdem steht sie ein paar Zentimeter von der Wand entfernt, damit man sich an allen Seiten gut festhalten kann.

Der Raum mit Dusche und Toilette hat neben dem bereits erwähnten breiten Türgriff in passender Höhe einen dringend benötigten Duschrollstuhl erhalten. So muss nicht der eigene Rollstuhl dafür herhalten, sondern man kann auf den extra dafür ausgelegten Stuhl mit hoher Rückenlehne zurückgreifen. Außerdem wurden ein neuer Brausekopf und neue Garderobenhaken installiert. Die verbesserte Umkleide und Dusche kann mit dem Euroschlüssel geöffnet werden.

Mit einem Preis von 10000 Euro ist der Badelift die teuerste Anschaffung der insgesamt auf 30000 Euro teuren Umbauarbeiten. Die Maschine, die im Sportbad ein paar Meter weiter bereits in Benutzung ist, kann ohne fremde Hilfe mit einer Fernbedienung gesteuert werden. Für Menschen mit Behinderung ermöglichen Anschaffungen wie diese ein Stück mehr Selbstständigkeit. Davor mussten die Betroffenen mit einem manuellen Flaschenlift vorlieb nehmen, der nur durch Freibadpersonal bedient werden konnte. Das Team um Betriebsleiter Roland Regler steht aber natürlich weiterhin zur Verfügung.

Für den Treppenlift an der Treppe nach oben zum Kiosk wird allerdings Personal benötigt, da dieser nur bei Gebrauch aufgebaut wird, um eine unrechtmäßige Nutzung zu verhindern. Mit einer aufgeklappten Rampe können Rollstuhlfahrer problemlos per Fernbedienung die Treppe hinauf schweben. Obwohl viele Dinge, wie diese Rampe, bereits seit einiger Zeit vorhanden sindwerden sie eher selten genutzt. Das liegt wohl oft daran, dass viele, die diese Hilfen benötigen, davon nichts wussten. Das soll sich nun nicht zuletzt durch den Aktionsplan Inklusion ändern.

Man befinde sich mittendrin und sei dran, die Dinge umzusetzen, zieht Inge Braun ein Fazit. Das kann auch Daniel Koller so bestätigen. Verbesserungen könnte es für ihn allerdings noch bei Lokalen, Gaststätten oder ähnlichem geben. Oft seien Eingangsbereiche oder Toiletten nicht barrierefrei. Auch wenn das teilweise mit dem alter der Gebäude zusammenhängt, fehle es oft auch an Rampen oder Dergleichem. Generell sei es für ihn so schwierig, am Abend- oder Nachtleben teilzunehmen. Allerdings sieht er eine Entwicklung, die Schritt für Schritt vorangeht. Wichtig sei es, weiter Forderungen zu stellen und dann dabei zu bleiben. Und auch wenn die Frage des Geldes oft eine Rolle spiele, merke man, dass etwas vorangeht.

Vincent Gaul