Und dann kam Jan Kristiansen

28.05.2007 | Stand 03.12.2020, 6:43 Uhr

Berlin (DK) Der Traum vom vierten Triumph im DFB-Pokal ist für den 1. FC Nürnberg wahr geworden: Nach einem Traumtor in der Verlängerung von Jan Kristiansen feierte der Club einen 3:2-Erfolg im Endspiel gegen den neuen deutschen Meister VfB Stuttgart und gewann damit seinen ersten Pokaltitel seit 45 Jahren.

Jan Kristiansen. Ausgerechnet Jan Kristiansen. Einen absurderen Siegtorschützen als diesen Dänen hätte sich dieses Finale nun wirklich nicht aussuchen können. Zwei Jahre in Nürnberg, mal Abwehrspieler, mal Außenstürmer, und nicht ein einziges Mal getroffen. "Es weiß natürlich keiner, dass der Jan Kristiansen vor zwei Jahren in Dänemark schon 18 Tore gemacht hat", trug Trainer Hans Meyer nach dem Triumph genüsslich vor. Aber bitteschön, wer wollte schon darauf hoffen, dass einem seit zwei Jahren torlosen Torjäger ausgerechnet im Pokalfinale gegen den deutschen Meister VfB Stuttgart das entscheidende Tor für den Club gelingt?

Furioses Finale

Doch das musste wohl so sein in einem wahnwitzigen Endspiel voller Wendungen, das sich am Samstagabend im Berliner Olympiastadion abspielte. Ein furioses Finale einer furiosen Saison. Mit einem Traumtor zum Abschluss eines traumhaften Jahres. Und das alles in einem Moment, in dem sich der bis dato größte Nürnberger Pokalheld dieser Saison gerade aufwärmte. Ersatztorwart Daniel Klewer, der insgesamt sechs Elfmeter im Achtel- und Viertelfinale abwehrte, bereitete sich bereits auf sein drittes Elfmeterschießen vor, als Jan Kristiansen in der 109. Minute den Ball an Fernando Meira vorbeilegte, ausgerechnet Meira, und aus 20 Metern zum 3:2 unter die Latte traf.

Lang war die Liste der möglichen Endspielhelden bis zu diesem Moment. Cacau stand darauf, der ehemalige Nürnberger, der nach einer Kopfballvorlage von Sami Khedira über Club-Verteidiger Andreas Wolf den Stuttgarter Führungstreffer erzielte (20.). Auch Marek Mintal stand darauf, der ehemalige Torschützenkönig des FCN, der schon zu Spielbeginn zweimal seine alte Stärke andeutete und in der 27. Minute endgültig zuschlug. Nach einem Eckball lief der VfB Stuttgart in einen Nürnberger Konter, den Mintal, das Phantom, nach einer perfekten Flanke von Dominik Reinhardt an den Fünfmeterraum mit dem 1:1- Ausgleich abschloss.

Aber keiner der beiden Torschützen bekam die Halbzeitansprache seines Trainers zu hören, weil der eine mit Tränen in den Augen vom Platz gestellt und der andere mit Tränen in den Augen vom Platz getragen wurde. In einem Laufduell mit Andreas Wolf leistete sich Cacau einen gut gezielten Faustschlag, der von Schiedsrichter Michael Weiner nach kurzer Rücksprache mit seinem Assistenten mit der Roten Karte bestraft wurde (30.). Allerdings traute sich Weiner wenige Minuten später nicht, unter dem feuerroten Berliner Abendhimmel eine zweite Rote Karte gegen den VfB Stuttgart zu zücken, als Mintal von Meira umgetreten und auf schnell?stem Weg ins Krankenhaus transportiert wurde.

Am Ende, da blieben die Ausfälle von Cacau und Mintal aber nur zwei Zutaten zum "besten Pokalfinale der letzten Jahre", wie es der fränkische Jungnationalspieler des VfB Stuttgart, Roberto Hilbert, bezeichnete. Vielleicht war es sogar das beste Pokalfinale seit 25 Jahren, als der 1. FC Nürnberg zuletzt ins Endspiel einzog und gegen den FC Bayern München trotz einer 2:0-Führung noch mit 2:4 verlor. Doch diesmal blieb dem Club ein Zwei-Tore-Vorsprung verwehrt, obwohl Marko Engelhardt gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit eine Pinola-Ecke zum 2:1 einköpfte. Aber noch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte war ein gewisser Jan Kristiansen kläglich an VfB-Torwart Timo Hildebrand gescheitert.

Nach dem Führungstreffer für den Club war allerdings nicht mehr viel von einer Nürnberger Überzahl zu sehen. Vergeblich versuchte sich die beste Abwehr dieser Bundes?liga-Saison nach dem Schock der Mintal-Verletzung an einem Meisterstück im Mauern. "Es war ein Fehler, das 2:1 halten zu wollen", sagte Dominik Reinhardt, dessen Vater Alois als Mitglied der 1982er-Mannschaft auf der Ehrentribüne mitzitterte. Zumal der VfB Stuttgart sofort nach dem Ausgleich auf Sturm umschaltete, alle Versäumnisse der ersten Halbzeit mit meisterlichem Willen wettmachte und den Club nun selbst in Unterzahl in dauernde Bedrängnis brachte. "Wir haben alles aus uns rausgeholt und sind ans Maximum gegangen", sagte Hilbert.

"Fragen sie mich also bitte nicht, warum wir den deutschen Meister nicht an die Wand gespielt haben", wehrte sich Club-Trainer Hans Meyer. "Unsere Mannschaft läuft eigentlich schon seit Wochen auf dem Zahnfleisch." Und so schafften die Stuttgarter in der 80. Minute tatsächlich noch den 2:2-Ausgleich. Pavel Pardo verwandelte einen Elfmeter, nachdem der Nürnberger Schlussmann Raphael Schäfer – ausgerechnet Schäfer, der jetzt vom Club nach Stuttgart wechselt, aber von den VfB-Fans gnadenlos ausgepfiffen wurde – den Stuttgarter Hoffnungsträger Mario Gomez im Strafraum umgeräumt hatte. Verlängerung, alles auf Null, aber dann kam Kristiansen. Ausgerechnet Jan Kristiansen.