München
Unbeugsamer Widerstand

Das Münchner NS-Dokuzentrum zeigt eine Ausstellung über das Schicksal der Zeugen Jehovas in der NS-Zeit

10.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:36 Uhr
Joachim Goetz
Zeugen Jehovas mit Missionskarren, 1920er-Jahre. −Foto: Rehm

München (DK) Für seine pazifistische Überzeugung ließ sich der junge Rudolf Moebs erschießen.

Der aus einer Münchner Handwerkerfamilie stammende Zeuge Jehovas verweigerte den Kriegsdienst, wurde im Juli 1942 wegen "staatsfeindlicher Gesinnung" zum Tod verurteilt und im folgenden August von einem Hinrichtungskommando erschossen.

Kein Einzelfall. Die Zeugen Jehovas wurden in der NS-Zeit wegen ihres Glaubens von Anfang an unterdrückt und verfolgt. In der aktuellen Ausstellung (und einem begleitenden, im Metropol-Verlag erschienenen Buch) dokumentiert das Münchner NS-Dokuzentrum erstmals diese Verfolgung zwischen 1933 und 1945 - speziell am Beispiel München. Mit vielen Biografien und einer überaus informativen chronologischen Präsentation der ziemlich unbekannten Geschehnisse. Die Zeugen verweigerten "Hitlergruß" und Kriegsdienst - aus Überzeugung. Den totalitären Anspruch des Regimes lehnten sie mit Verweis auf die göttliche Obrigkeit ebenso ab wie den Führerkult.

Als erste Glaubensgemeinschaft wurde die unpolitische religiöse Minderheit bereits kurz nach der Machtübernahme in Bayern am 13. April 1933 verboten. Dennoch bekannten sich die meisten Zeugen weiterhin offen zu ihrem Gauben, trafen sich zu Bibelkreisen und verbreiteten ihre Lehre. Auf Repressalien und Konflikte reagierten sie mit offenem Protest, der von der New Yorker Leitung organisiert wurde. Internationale Brief- und Flugblattkampagnen wie etwa 1936 die "Luzerner Resolution" oder 1937 ein "Offener Brief" prangerten die Verfolgungsmaßnahmen an und verurteilten das NS-Regime.

Viele deutsche Zeugen beteiligten sich an den Aktionen, verteilten Flugblätter und Portestnoten - und wurden dafür verhaftet und in KZs verschleppt. Therese Kühner beispielsweise. In ihrer Wohnung fanden Besprechungen statt, mit ihrem Abziehapparat vervielfältigte man regimekritische Schriften. Das reichte, um sie nach einjähriger Haft und Verurteilung in Plötzensee 1944 zu enthaupten.

Insgesamt gab es zur NS-Zeit im Reich etwa 25000 Zeugen Jehovas, knapp 9000 inhaftierte man. Hunderte wurden während des Krieges von der NS-Justiz wegen "Wehrkraftzersetzung" und Kriegsdienstverweigerung zum Tod verurteilt. Über 1000 kamen zwischen 1933 und 45 insgesamt ums Leben, darunter mindestens 15 Münchner. Um solch staatlich sanktionierten Mord zu verhindern, wurde im Grundgesetz der BRD später das Recht auf Wehrdienstverweigerung verankert.

Die KZ-Haft fassten die Zeugen übrigens als Glaubensprüfung auf. Gruppenkodex und strenge Gläubigkeit ließen sie auch Zwangsmaßnahmen der SS trotzen. Was ihren religiösen Regeln widersprach, lehnten sie trotz Strafen unbeugsam ab.

Da zahlreiche private Leihgeber und das Archiv der Zeugen Jehovas in Selters Bilder und Dokumente zur Verfügung stellten, können nun Namen, Gesichter und Lebensgeschichten vieler verfolgter Münchner präsentiert werden - und mit der Ausstellung ins Bewusstsein der Stadtgesellschaft zurückgeholt werden.

NS-Dokuzentrum: "Die Verfolgung der Zeugen Jehohas in München", bis 9. Januar, Öffnungszeiten, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 19 Uhr.

Joachim Goetz