Pfaffenhofen
Umdenken in Zeiten des Unbehagens

Reinhard Haiplik und Siegfried Ebner spüren den Rückenwind für die ÖDP vor der Kommunalwahl

03.06.2019 | Stand 02.12.2020, 13:49 Uhr
Politik im Doppelpack: Siegfried Ebner (von rechts) und Reinhard Haiplik im PK-Interview mit Redakteur Patrick Ermert. −Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Als "Bienenretter" sind die ÖDP-Politiker im Freistaat derzeit in aller Munde - und das, obwohl die Ökologischen Demokraten als Splitterpartei gelten. Über den Rückenwind aus dem erfolgreichen Volksbegehren, das Klima im Pfaffenhofener Kreistag und die Ziele bei der anstehenden Kommunalwahl sprechen Kreisfraktionssprecher Reinhard Haiplik und der in Energie- und Umweltfragen versierte BN-Aktivist Siegfried Ebner im PK-Interview.

Blühwiesen sind aktuell der Renner. Kommt die Wahl zur rechten Zeit, solange das Volksbegehren nachhallt?

Reinhard Haiplik: Wir sind ja eh schon glücklich, dass wir bei der letzten Wahl zum ersten Mal eine eigene Fraktion bilden konnten - und personell gut aufgestellt sind: der Sigi als Spezialist beim Natur- und Klimaschutz, Doktor Skoruppa in Gesundheitsfragen und ich als Heimatkundler und Bewahrer der Tradition.

Welche Ziele hat die Partei denn bei der Kommunalwahl?

Siegfried Ebner: Im Süden haben wir viele unserer ingesamt 60 Mitglieder, da passt es gut. Im Norden und vor allem in der Mitte des Landkreises sieht es aber zum Teil verheerend aus,. Unser Traum ist ein dritter Stadtrat in Pfaffenhofen. Und dass wir im Kreistag unsere Fraktionsstärke bewahren.

Wie sieht der Fahrplan bis zur Wahl denn im Groben aus?

Haiplik: Wir werden uns im Sommer auf Klausur nach Steinerskirchen zurückziehen. Im Herbst stellen wir dann die Listen auf: für den Kreistag und für den Pfaffenhofener Stadtrat. Mehr ist wohl eher nicht realistisch. Und dann geben wir im Wahlkampf einmal mehr unser Bestes.

Ist dabei alles wie immer oder hat das erfolgreiche Bürgerbegehren auch der ÖDP im Landkreis frische Kräfte verliehen?

Ebner: Tatsächlich haben wir zuletzt enormen Aufwind verspürt. In den vergangenen zwei Jahren ist der Kreisverband um 20 Mitglieder gewachsen. Da zahlt sich wohl aus, dass sich die Menschen gemerkt haben, von wem dieser Artenschutz-Bürgerentscheid ausgegangen ist. Das ist auch an den Ständen zu merken. Vor allem junge Familien kommen zu uns, fragen, holen sich das Programm - wir werden allgemein viel besser wahrgenommen.

Dabei schreiben sich die Öko-Themen mittlerweile viele Parteien auf die Fahne.

Haiplik: Tatsächlich ist unsere ureigene Agenda, da wir schon seit 25 Jahren propagieren, zum Allgemeingut geworden. Mehr Blumen, weniger Flächenfraß, mehr Radwege, weniger Autoverkehr - all diese Forderungen sind bei den Menschen voll angekommen. Aber das ist auch sehr gut so, genau das wollten wir ja immer erreichen.

Sie beackern meist "große" Themen, die auf Landes- oder gar Bundesebene gelöst werden müssten. Wir sieht es auf der kommunalen Schiene aus?

Ebner: Auch hier schlägt das durch. Etwa die hohe Beteiligung am Bürgerentscheid zu Ilmendorf Nord und sein Ergebnis haben gezeigt, dass die Menschen diese hässlichen, seelenlosen Gewerbegebiete einfach nicht mehr wollen. Die vielen Autos, der heftige Verkehr, die zerstörte Natur - das kann alles so nicht mehr weitergehen. Und das merken die Bürger langsam.

Trotzdem dümpelt die ÖDP bei Wahlen im niedrigen einstelligen Prozentbereich vor sich hin. Andere scheinen die Lorbeeren abzugreifen.

Haiplik: Das stimmt schon. Die Grünen profitieren weit mehr. Viel schlimmer finde ich aber, dass die CSU keine Skrupel kennt, um unsere Errungenschaften als ihr Ideengut zu verkaufen. Die haben wenig Bedenken dabei, sich so zu verkaufen. Uns fehlt es da manchmal an der Skrupellosigkeit.

Sie rücken auch im Kreistag immer mal wieder kräftig mit den Christsozialen zusammen.

Haiplik: Sie spielen auf die Haushaltsdebatte an? Das stimmt wohl. Eine andere Meinung zu haben, das ist natürlich legitim. Aber man sollte schon mit Anstand, respektvoll und mit einer gewissen Würde diskutieren. Wir bei der ÖDP schauen nicht nur auf die Partei, sondern immer auf die Sache. Das würde auch anderen nicht schaden.

Ebner: Im Kreistag beklage ich vor allem diese ewige Kraftmeierei, die keinen weiterbringt. Da bauen wir unsere schöne Landschaft derart zu, dass der Blick darauf direkt Depressionen verursacht. Statt dass wir uns alle miteinander mal überlegen, wo welche Entwicklung sinnvoll wäre. Das hat auch mit der Schieflage zu tun, dass im Kreisausschuss viel zu viele Bürgermeister sitzen, die nur ihre Gemeindeinteressen durchboxen wollen.

Wie würden Sie das regeln?

Ebner: Da müsste es eigentlich eine Übereinkunft geben, dass in den Kreisausschuss keine Bürgermeister gehören - oder zumindest viel weniger. Statt nur auf sich selbst schauen, würde mir für den Landkreis eine Maibaum-Mentalität viel besser gefallen: miteinander, einhängen und anschieben. Damit nicht jeder selbst vor sich hinwurschtelt - und dann nichts Gescheites dabei rauskommt.

Was bestimmt in ihren Augen die Landkreispolitik?

Haiplik: Leider viel zu sehr die Geldgier. Aber die ist halt fast überall gegenwärtig. Was bringen denn immer mehr Gewerbegebiete, immer mehr Wachstum, immer höhere Einnahmen, wenn wir im Gegenzug unsere Lebensgrundlage zerstören? Jeder vernunftbegabte Bürger müsste eigentlich erkennen, was hier bei uns in den vergangenen Jahren schon alles angerichtet wurde.

Sie spielen damit auf die Jugendbewegung "Fridays for Future" um das schwedische Mädchen Greta Thunberg an.

Ebner: Es hat in den vergangenen Jahren so viele Aktionen, Vorträge, Aktionsbündnisse und Klimagipfel gegeben - aber erreicht wurde gar nichts. Vielleicht schafft jetzt die Jugend in Zeiten des Unbehagens die Wende hin zu mehr Energie- und Klimabewusstsein. Nicht ,Geiz ist geil', sondern die Ökologie muss ins Zentrum der Ökonomie. Energie- und Ressourcenverschwendung müssen besteuert, Löhne und Unternehmen der Zukunftsvorsorge entlastet werden. Greta redet Klartext. Und im Grunde genommen müssen wir uns bei allen Entscheidungen immer nur die eine Frage stellen: Ob das, was wir da beschließen, denn wirklich enkeltauglich ist.

Landrat Martin Wolf hat dem Klimaschutz in seinem verbleibendem Amtsjahr eine ungewöhnlich hohe Priorität eingeräumt - und er hat sich damit nicht nur Freunde gemacht, vor allem in den eigenen Reihen. Wir sehen Sie diese Entwicklung?

Haiplik: Die Diskussionskultur ist zwar nicht immer großartig. Aber es ist auf alle Fälle schon mal ein Fortschritt, dass wir im Kreistag mittlerweile intensiv diskutieren. Unter Rudi Engelhard war es ein reines Abnickgremium, in dem kaum gesprochen wurde. Jetzt wird wenigstens gestritten und debattiert, das ist positiv. Wenn jetzt der Kreisausschuss noch ein wenig zurückhaltender wäre und die integrierte ländliche Enwicklung - oder auch das Miteiannder aller Gemeinden - gestärkt würde, wären wir auf einem guten Weg.

Welche konkreten Maßnahmen fallen Ihnen dazu ein?

Ebner: Immer mehr Wohngebiete und immer mehr Gewerbeflächen sind nicht zielführend. Geld kann man nicht essen. Und wir müssen solidarischer werden. Flüchtlinge sollen immer nur die anderen aufnehmen. Da ist vieles ungleich verteilt worden und extrem ungerecht gelaufen. Dazu bräuchten wir eine Flurbereinigung bei den Öko-Ausgleichsflächen und bei den Gewerbegebieten. Denn es fehlt das Miteinander - und diese Maßnahmen würde das ewige Ausweisen ein wenig zurückfahren.

Sind sie beim Weg in die eher für strikte Vorgaben und Gesetze oder eher für Anreize?

Ebner: Ich bin für einen Appell an die Vernunft, der ein stichhaltiges Durchdringen mit sich bringt.

Haiplik: Pfaffenhofen ist nicht in allem perfekt. Aber der kostenlose Stadtbus ist ein guter Ansatz.

Besserer Klimaschutz funktioniert also idealerweise über den Geldbeutel?

Ebner: Das hilft besser als strikte Gesetze. Aber es gibt viel zu tun. Zum Beispiel müsste längst das Kerosin stark besteuert werden, um die Vielfliegerei zu unterbinden. Wieso da keiner eher draufgekommen ist, das ist schon alles sehr fragwürdig.

Haiplik: Das Radfahren ist auch immer noch viel zu gefährlich. Wir brauchen mehr Radwege, aber nicht nur an den Staatsstraßen, sondern auch in den Städten. Pfaffenhofen muss zum Beispiel viel radlfreundlicher werden. Breite Wege, besser ausgebaut. Es sind Ansätze da, aber viel zu wenige - und hmeist sehr halbherzige.

Und außerhalb der Kreisstadt?

Haiplik: Da kann man kaum mit dem Bus fahren. Wir brauchen auch da bessere Angebote, endlich ein gutes ÖPNV-Netz. Man kommt ja kaum von A nach B ohne Auto, also wie soll man da steuernd eingreifen? Wir brauchen Car-Sharing und Mitfahrangebote, damit Familien auf das zweite Auto verzichten können. Da gibt es Ansätze ohne Ende - aber wir müssen endlich damit anfangen, auch etwas umzusetzen.

Viele dieser Themen finden sich auch bei den Grünen, die bekanntlich im Höhenflug sind. Wie unterscheidet sich die ÖDP denn eigentlich davon?

Ebner: Die Grünen sind zu einer Partei der Besserverdienenden geworden. Die haben gute Ansätze, aber lassen auch viele Menschen auf der Strecke. Bei der ÖDP ist weniger hingegen mehr. Wir versuchen umweltfreundliche Politik auch für den kleinen Geldbeutel realistisch zu machen. Wir bleiben dran an den Themen, ziehen das durch. Die ÖDP ist zäh. Und wir lassen uns nicht entmutigen, auch wenn die Wahlergebnisse mal nicht so stimmen.

Die Fragen stellte

Patrick Ermert.