Um Deeskalation bemüht

Kommentar

15.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:48 Uhr

Was eine abstoßende Inszenierung gestern in Berlin: Seit einem Jahr sitzt der deutsche Journalist Deniz Yücel im türkischen Gefängnis fest. Eine Geisel der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan, die nach dem Putschversuch Mitte 2016 jedes Maß verloren hat.

Auch während seines Besuchs bei Bundeskanzlerin Angela Merkel heuchelte Ministerpräsident Binali Yildirim, er hoffe, dass Yücel bald freigelassen werde.

Tatsächlich? Warum sorgt seine Regierung in Ankara dann nicht dafür, dass er auf freien Fuß gesetzt wird? Ach ja, die türkische Justiz ist laut Ankara unabhängig. Das zumindest behauptet Yildirim nach wie vor. Seltsam bloß, dass der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner das Gefängnis nach einer Intervention von Altkanzler Gerhard Schröder bei Staatschef Erdogan plötzlich doch verlassen konnte.

Nein, die Grundprinzipien des Rechtsstaats gelten in der Türkei nicht im vollen Umfang. Alles andere ist Augenwischerei. Das zeigt sich schon daran, dass es im Fall Yücel noch immer keine Anklage gibt. Offensichtlich haben die Ermittler nichts gefunden, womit sie die Richter nur ansatzweise überzeugen könnten. Was also soll nun Yildirims Ankündigung? Offensichtlich versucht die Türkei, die Affäre Yücel gesichtswahrend loszuwerden. Yildirim hat bei Merkel keinen Hehl daraus gemacht, was sein Land von der Bundesrepublik dafür erwartet. Doch die Türkei hat den Bogen überspannt. Selbst wenn Ankara Yücel freilässt, kann Berlin nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und dem Nato-Partner, der in Syrien einen Krieg gegen die Kurden führt, Rüstungsgüter liefern.

Die härtere Gangart der Bundesregierung hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Doch die Türkei bleibt ein schwieriger Partner. Natürlich hätte Angela Merkel auch gestern weniger verklausuliert mit Yildirim reden können. Immerhin: Beim Thema Zoll-Union ist sie hart geblieben. Sie hat allerdings auch ihre Hand ausgestreckt, hat auf Deeskalation gesetzt. Das wird ihr Kritik einbringen. Doch auch Yildirim hat sich um freundliche Töne bemüht.

Es ist unabhängig von allen Rahmenbedingungen zu begrüßen, dass Spitzenpolitiker beider Länder mittlerweile wieder zivilisiert miteinander reden können. Nur ist Entspannung kein Selbstläufer. Der türkische Staatschef Erdogan hat es in der Hand, wie es mit den bilateralen Beziehungen weitergeht.