Überversorgung trifft auf gesunkenen Bierausstoß und Corona

BarthHaas-Bericht 2019/20 zur Hopfenernte: Die Pandemie sorgt weltweit für Turbulenzen auf dem Markt

12.10.2020 | Stand 02.12.2020, 10:22 Uhr
Stellten den druckfrischen BarthHaas-Bericht vor: der Autor Heinrich Meier (rechts) und Peter Hintermeier, Einkaufsleiter des Nürnberger Hopfenhandelshauses. −Foto: Bruckmeier

Nürnberg/Altmannstein - "Die Hopfenwirtschaft steht vor gewaltigen Herausforderungen.

 

Die Bewältigung der Coronakrise wird in unserer Branche einige Jahre in Anspruch nehmen. " Das prophezeite Peter Hintermeier, der Einkaufsleiter des Nürnberger Hopfenhandelsunternehmen BarthHaas, bei der Vorstellung des druckfrischen Marktberichts 2019/20. Das Problem: Eine gute Durchschnittshopfenernte 2020 mit seit sieben Jahren nicht mehr so guten Alphasäurewerten trifft auf einen wegen der Pandemie weltweit rückläufigen Weltbierausstoß.

"Da passen Angebot und Nachfrage einfach nicht mehr zusammen", analysiert Hintermeier die augenblickliche Situation. Noch dazu scheint der Markt verrücktzuspielen. Denn trotz eines bereits aus der Ernte 2019 vorhandenen Überschusses an Alphasäure ziehen die Preise auf dem Spotmarkt sogar noch an. "Das verstehe, wer will, ich jedenfalls kann da nicht mehr ganz folgen", wundert sich der Experte, der auch Vorsitzender des Deutschen Hopfenwirtschaftsverbandes ist.

Bei einem Pressegespräch mit unserer Zeitung lieferte Heinrich Meier, der Autor des BarthHaas-Berichts, die notwendigen Zahlen. Um die aktuelle Entwicklung zu verstehen, holte Meier ein wenig aus. "2019 konnten wir weltweit eine Steigerung in den wichtigsten Schlüsselfaktoren der Hopfen- und Bierbranche gegenüber dem Jahr 2018 verzeichnen", erklärte er die Anfang des Jahres noch durchaus hoffnungsvolle Ausgangslage. Demnach sind sowohl die Anbaufläche und Erntemenge als auch die Menge der für den Brauprozess entscheidenden Alphasäure und der Bierausstoß gestiegen. Eigentlich eine fast ideale Konstellation, wenn am Ende nicht Corona gekommen wäre.

Das Ganze in Zahlen: Die Hopfenanbaufläche vergrößerte sich im Jahresvergleich 2018/19 rund um den Globus um 1,9 Prozent auf 61559 Hektar, in Deutschland um 1,4 Prozent auf 20417 Hektar. Die Erntemenge legte weltweit um 9,3 Prozent auf knapp 129500 Tonnen zu, in Deutschland sogar um 16 Prozent auf annähernd 48500 Tonnen. Einen Sprung machte dagegen die erzeugte Alphasäure mit einem weltweiten Plus von 16 Prozent auf 12675 Tonnen, in Deutschland gar um 29 Prozent auf 4938 Tonnen. Weil der Bierausstoß jedoch weltweit um ein halbes Prozent auf 1,913 Milliarden Hektoliter nur leicht zulegte, deutete sich da bereits eine strukturelle Überversorgung an Hopfen an, was es so seit Jahren nicht mehr gegeben hatte. Das hätte der Markt vielleicht noch weggesteckt, oder die Beteiligten hätten noch eingreifen können. Dann aber kam es knüppeldick.

Denn Corona traf den erst leicht in Schieflage geratenen Markt mit voller Wucht und sorgt seitdem für enorme Turbulenzen rund um den Globus. Bei BarthHaas behielt man die Nerven und rechnete anhand der gesammelten Zahlen und vorliegenden Fakten genauer nach. "Wir haben ein Best-Case- und ein Worst-Case-Szenario entworfen und kommen je nach Entwicklung auf einen Rückgang des Weltbierausstoßes im laufenden Jahr in einer Größenordnung von acht bis 14 Prozent", konstatiert Hintermeier. Und auf diesen rückläufigen Markt trifft nun eine relativ gute Hopfenernte 2020 mit seit Langem wieder einmal hervorragenden Inhaltsstoffen.

Bei BarthHaas geht man von einem rechnerischen Minderbedarf zwischen 400 und 2000 Tonnen Alpha aus. Die Folgen sind fatal: "Aus heutiger Sicht wird der Bierausstoß das Niveau von 2019 frühestens 2022 wieder erreichen", befürchtet Hintermeier. Es wird also jede Menge an Alpha in den Lagern liegenbleiben. Ob diese Hopfenprodukte später zu vermarkten sein werden, bleibt abzuwarten. "Der Brauer legt schon Wert auf frische Ware", erläutert dazu Heinrich Maier.

Was für die Hopfenbauern zum besonderen Problem wird, ist die Tatsache, dass ausgerechnet die Craftbeer-Szene von den Ausfällen durch den Lockdown besonders stark betroffen ist. Denn die hochwertigen Bierschmankerl aus den "Handwerksbrauereien" gehen vorzugsweise in Lokalen über den Tresen und stehen nicht etwa im Supermarktregal neben allerlei anderen Billigmarken. Die Kneipen aber blieben für die Bierliebhaber über Wochen und Monate geschlossen. Angesichts eines Bedarfs der Craft-Brauer von knapp 30 Prozent des gesamten nachgefragten Alpha bei einem Marktanteil von vergleichsweise winzigen 3,4 Prozent am Weltbierausstoß lassen sich die Dimensionen der zu erwartenden Lieferausfälle erahnen.

Angesichts solcher Horrorszenarien richtet sich der dringende Appell von Hintermeier und Meier an die gesamte Branche, jetzt die Nerven zu behalten und die Krise gemeinsam zu meistern. "Wenn Angebot und Nachfrage nicht in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit allen Beteiligten wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, ist die langfristige Leistungsfähigkeit der Hopfenwirtschaft von einer schnellen Aushöhlung bedroht, an der niemand Interesse haben kann", warnt Heinrich Meier.

An die Adresse der Pflanzer sendet Hintermeier das deutliche Signal, auch in der Krise zu ihnen zu stehen. "Das gehört einfach zur Firmenphilosophie dieses Familienunternehmens", betont der BarthHaas-Einkaufsleiter auch im Namen der Gesellschafter. Angesichts einer Vorkontraktquote von aktuell 95 Prozent und immer noch 80 Prozent für 2023 ist es seinen Worten zufolge nicht zuletzt eine Frage des Vertrauens gegenüber den Erzeugern, sich an die Verträge zu halten. Auf der anderen Seite appelliert Hintermeier an die Brauwirtschaft, mit den Marktpartnern weiterhin vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

DK