Ingolstadt
Überschäumende Lebensfreude

Frank Roberscheuten und seine Band zeigen in Ingolstadt, was "Swing 2017" bedeutet

10.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:14 Uhr |

Unpolierter Klang des Swing: Frank Roberscheuten (Mitte) und seine Band verzichten auf aufwendige Klangverstärkung. - Foto: Erl

Ingolstadt (DK) Es geht auch ohne. Ohne aufwendige Klangverstärkung, ohne digitale Soundtechnik und ohne einen Mann am Mischpult, der die Kunst der Musiker erst zu dem macht, was die Zuhörer als maßgeschneiderten Sound präsentiert bekommen.

Im schlimmsten Fall können die Regler am Mischpult die Genialität der Interpreten und Solisten aber auch in den Müll treten. Frank Roberscheuten und seine sechs Begleiter aus drei verschiedenen Kontinenten gehen diesen so scheinbar mühelosen wie risikoreichen Weg am Donnerstagabend im Museum mobile nicht.

Bis auf ein Moderationsmikrofon verzichten sie auf diese digitalen Aufhübscher und auf die schummelnde elektronische Politur der Töne. Bei ihrem Projekt "Swing 2017" vertrauen sie ausschließlich auf das eigene Können und auf die Kunst, einander zuzuhören und zwischen den Instrumenten ein Harmoniegefüge aufzubauen. Die Akustik in diesem Rondell kommt ihnen dabei sehr entgegen. Kein einziger Ton, kein noch so leises Flirren aus dem Posaunentrichter und keine feinsinnig filigrane Saxofonsequenz verlieren bei dieser Reise durch die Swing-Musik im ausverkauften Saal an Glanz.

Der niederländische Saxofonist beginnt die Reise in die Welt des Swing mit Interpretationen des frühen Jazz aus den 1920er-Jahren bis hin zu Bebop, vom Dixieland bis zum Blues. Frontmen sind neben dem Bandleader der wandlungsfähige Trompeter Björn Ingelstam und Bert Boeren an der atemberaubend farbenreichen Posaune. Sein auf die von Roberscheuten gezeigte Akrobatik am Saxofon gemünzter Spruch "Vorsprung durch Technik" gilt auf dem Audi-Parcours für alle drei gleichermaßen. Ihre Instrumente scheinen ein Eigenleben zu entwickeln, flüstern sich Geheimnisse zu und schicken Klänge ins Publikum, die wie von weicher Watte geschützt ankommen. Und schon in der nächsten Sequenz pulsiert die überschäumende Lebensfreude und der Spielwitz des Swing aus den Schalltrichtern.

Krach machen können viele. Aber Töne zu entwickeln, die wie tanzende Porzellanfiguren den flüchtigen Augenblick grazil einfangen und ihnen Gestalt geben, das können nur wahre Meister. Dazu entwickelt sich bald schon eine heimelige Nähe zwischen Publikum und Musikern - ohne den diffusen Schleier, den sonst die elektronische Tonabmischung unmerklich aufspannt. Die Rhythmusgruppe steht dabei fast ein wenig im Schatten der Bläser. Ganz zu unrecht, wie sie immer wieder mit kurzen Soli beweisen dürfen.

Gitarrist Dave Blenkhorn fasziniert die Zuhörer obendrein als Sänger mit seiner Bluesversion "Way Down Yonder". Und Drummer Guillaume Nouaux fetzt mit seinen Sticks nicht nur minutenlang wie eine Furie grandios über die Drums. Er kann auch verspielt und intoniert die Marseillaise, indem er das Ride-Becken biegt und knetet, bis die richtigen Töne kommen. Die anderen lassen ihm gebührend Zeit, bis sie ihn mit witzigem und vor allem ungefiltertem Swing wieder einfangen. Keine Frage, die Richtung zurück zu den Wurzeln kann zugleich Fortschritt sein.

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