Ingolstadt
Überraschend anders

19.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

Begeistert mit neuen Jazzklängen: Olivia Trummer beim Preisträgerkonzert im Kulturzentrum neun in Ingolstadt - Foto: Claus Woelke

Ingolstadt (DK) Eigentlich ist es nur ein kleiner Wortbestandteil: „Förder“. Bislang wurde im Rahmen der Ingolstädter Jazztage ein Förderpreis vergeben, an förderungswürdige Musiker aus Ingolstadt. Die Dinge sind anders geworden.

Seit der Gründung im Jahre 1984 ist das Festival zu einer international renommierten Institution geworden, zu einem „who is who“ der Jazzszene. Und so ist der Preis auch gewachsen, wird national ausgeschrieben und heißt jetzt Ingolstädter Jazzpreis. Verliehen wurde er anlässlich des Auftaktes der Ingolstädter Jazztage 2014 an Olivia Trummer.

Die 29-jährige Sängerin, Pianistin und Komponistin ist bereits „angekommen“, wie die Auftrittsorte Carnegie Hall oder das Wiener Konzerthaus nahelegen. Die Jazztage in Ingolstadt der vergangenen Jahre waren dabei, wie Olivia Trummer sagt, so etwas wie ein „Initialisierungsmoment“, das Zusammentreffen und „Jammen“ mit internationalen Jazzgrößen ein wichtiger Anstoß, sich in die Heimat des Jazz, die USA, zu wagen und sich dort weiterzuentwickeln. Jetzt ist sie zurück in Ingolstadt, steht mit ihrem Trio auf der Bühne des brandneuen Kulturzentrums neun und stellt beim an die Preisverleihung anschließenden Konzert ihr neues Album „Fly now“ vor.

„Wenn du redest, dann sage auch etwas.“ Olivia Trummer scheint diesen Satz in Musik übersetzt zu haben. So eigenartig es klingen mag, man nähert sich dem musikalischen Ansatz von Olivia Trummers Jazz am besten in einer Art Ausschlussverfahren. Es gibt keine Effekt heischenden Soli, keine, auch nicht in Teilen wiederkehrenden, vorgefertigten Skalen, die im Formel-1-Tempo vorgetragen werden. Die lauten Töne sind nicht ihr Element, und die Tatsache, am Klavier zu singen, stellt keinerlei Grund für sie dar, die Finger pausenlos auf den Tasten zu haben.

Mehr noch, wenn Olivia Trummer wie bei „All is well“ zur verträumten Begleitung durch ihren Gitarristen singt, lenkt sie das Ohr auf Wesentliches – wie ihre Stimme zum Beispiel: transparent, sehr präzise intoniert, fast mädchenhaft und immer glaubwürdig. Manche Kompositionen starten mit einer Sequenz, rhythmisch sperrig, und mit einer gegen die Erwartungshaltung ausgelegten Phrasierung ausgestattet. Im weiteren Verlauf „wattiert“ Trummer die Ecken und Kanten mit flauschig-traumhaften harmonischen Fortschreitungen. In diesen Momenten weht ein wenig spätimpressionistische Farbe durch ihre Songs. Wundern muss das niemand, zumal die ehemalige „Jugend musiziert“-Preisträgerin eine klassische Klavierausbildung hat. Wenn man das Klavierspiel, das mit dem Begriff Gesangsbegleitung völlig unzureichend beschrieben wäre, in einzelnen Passagen solo hört, formt sich eine Vorstellung oder mehr noch ein Wunsch: Vielleicht überrascht uns Olivia Trummer künftig mit einem programmatischen „Klavier solo“-Album? Es bleibt spannend. . .