''Überragende Wagen'' – auch ohne Sonderpreise

Der Präsident des Faschingskomitees schont beim Umzug seine Stimme und mit der ausgefallenen Prämierung auch seine Nerven

07.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:14 Uhr
Unzählige Besucher säumten auch diesmal wieder den Faschingumszug in Allersberg, der zu den größten im Landkreis Roth gehört.
Foto: Tobias Tschapka −Foto: Tobias Tschapka

Allersberg (HK) 84 Gruppen und rund 25 000 Zuschauer: Der Allersberg Faschingszug ist gestern wieder einer der größten Umzüge in Mittelfranken gewesen. Die Prämierung der schönsten Faschingswagen ließen die Organisatoren aber heuer bleiben.

Man muss es sich ja nicht schwerer machen als es eh schon ist. Erst der karnevalistische Frühschoppen am Vormittag, dann der große Faschingszug am Nachmittag und zum Schluss auch noch die mehrstündige Prunksitzung am Abend – für die Allersberger Narren ist das Programm am Faschingssonntag fast an der Grenze zum Leistungssport. Kein Wunder, dass es bei einem solchen Pensum auch ein gewisses Verletzungsrisiko gibt.

Alexander Böck, der Präsident des Allersberger Faschingskomitees, wirkte gestern auf den ersten Blick zwar fit wie eh und je. Doch er litt ganz leise an einer der schlimmsten Blessuren, die einem Jecken wie ihm an einem Faschingssonntag passieren kann: Seine Stimmbänder waren gereizt. Deshalb entschlossen sich die Obernarren aus dem Komitee spontan dazu, die Arbeit untereinander aufzuteilen: Alexander Böck, der sonst von früh bis spät am Faschingssonntag das Mikrofon in der Hand hat, überließ diesmal dem Vereinsvorsitzenden Bastian Schöll die Moderation des eineinhalbstündigen Faschingszugs. „Sonst hat er bei der Sitzung keine Stimme mehr“, erklärte Schöll von der Ehrentribüne des Komitees herab.

Bei 84 teilnehmenden Gruppen am Allersberger Faschingszug – drei mehr als im vergangenen Jahr – blieb dem Präsidenten also eine enorme stimmliche Anstrengung erspart. Bereits im Voraus hatten sich Böck und Schöll hingegen einer weiteren schwierigen Aufgabe entledigt: Die im Jahr 2012 eingeführte Prämierung der besten Faschingswagen fiel heuer nämlich aus, nachdem es im vergangenen Jahr offenbar böses Blut um diesen Sonderpreis gegeben hatte.

Auch in einem Leserbrief in unserer Zeitung war der Unmut laut geworden. Beklagt worden war in dem Brief eine ungerechte Bewertung und eine angebliche Benachteiligung der oberpfälzer Wagenbauer, nachdem der Titel erneut an die überwiegend mittelfränkisch besetzte Clique der MC Ochsen gegangen war. Solchen Ärger hielt sich das Allersberger Faschingskomitee jetzt vom Leib, indem es gestern einfach keine Bewertung mehr gab. „Das braucht es nicht mehr“, sagte Aushilfsmoderator Schöll, der deshalb schon vor längerer Zeit Kontakt mit den einzelnen Gruppen aufgenommen hatte. „Die Wagen sind trotzdem wieder überragend.“ Das habe er schon bei den ersten Umzügen des Landkreises in Schwand und Thalmässing gesehen.

Beim Höhepunkt in Allersberg konnten sich davon auch die rund 25 000 Zuschauer überzeugen. Und es wäre auch heuer eine recht undankbare Aufgabe gewesen, aus den vielen spektakulären Faschingswagen am Ende einen Sieger zu küren. Gute Chancen gehabt hätte wohl die „Bauwong“-Crew aus Schönbrunn, Heblesricht und Heblesricht, die in den Uniformen der US-amerikanischen Spezialeinheit S.W.A.T. unterwegs war und auf ihren Wagen sogar eine mehrere Meter große Hubschrauber-Attrappe gebastelt hatte.

Kaum weniger Mühe gemacht hatten sich die Faschingsfreunde Eysölden mit ihrem wummernden und wippenden Aprés-Ski-Gefährt, die Dorfjugend Möning mit ihrem Dschungel-Wagen, die Jugend Rohr mit ihrem aufwendig gestalteten Traktorgespann zum Thema Steinzeit oder auch die MC Ochsen, deren Wagen zum Motto Superhelden ein meterhoher Batman-Kopf zierte.

Gar einen neuen Schwierigkeitsgrad beim Allersberger Faschingszug erreichte die Gruppe vom Tennishäusl Mörsdorf. War es in den vergangenen Jahren schon kompliziert genug, die immer größer werdenden Wagen genau so zu konstruieren, dass sie gerade noch durch das Untere Tor passen, so hatten die Mörsdorfer nun noch eine weitere Schwierigkeit präzise berechnet. Die qualmenden Schornsteine ihres Mississippi-Dampfers passten nämlich auch noch knapp durch die beiden Zebrastreifen-Schilder, die in großer Höhe von links und von rechts in die Allersberger Marktstraße ragen.

Wesentlich weniger kreativ zeigten sich einige andere Wagenbauer, meist von außerhalb des Landkreises, die lediglich als lärmende Werbeplattform unterwegs waren. Vielleicht ist dies auch eine Folge davon, dass die Faschingswagen in der Region seit einigen Jahren immer gigantischer werden. Dass es aber auch klein und fein geht, bewiesen besonders die Weinsfelder mit ihrem politischen Wagen, der Europa als volles Boot zeigt – nämlich als Boot voller Lügensäcke, Heuchler und Sonntagsredner.