Überfrachtete Mixed-Media-Show

28.07.2009 | Stand 03.12.2020, 4:46 Uhr

Salzburg (DK) Fast alle waren sie da, die Intendanten der großen deutschsprachigen Opern- und Schauspielhäuser, die wichtigen (und sich wichtig wähnenden) Regisseure sowie die ausgeflippten Theatergurus.

Sebastian Nübling, Lieblingsregisseur vieler in- und ausländischer Bühnenchefs, kombinierte für das Festival an der Salzach Friedrich Hebbels Drama "Judith" aus dem Jahr 1840 mit dem 1716 entstandenen Oratorium "Judith triumphans" von Antonio Vivaldi, ergänzt mit Kompositionen von Lars Wittershagen (Jahrgang 1969) und Texten der 1976 geborenen Schauspielerin, Autorin und Aktionskünstlerin Anne Tismer. Zweifellos ein ebenso interessantes wie löbliches Experiment, das freilich – trotz des Jubels des Premierenpublikums – an seiner ausufernden Mehrdimensionalität gescheitert ist.

Den Christenmenschen ist die blutrünstige Story aus dem Alten Testament ja bestens bekannt. Bei Hebbel verläuft die Geschichte so: Um die Vernichtung des jüdischen Volkes durch die Assyrer zu verhindern, bietet sich die junge Witwe Judith dem assyrischen Feldherrn Holofernes als Geliebte an, um ihn zu ermorden, im Schlaf das Haupt abzuschlagen. Keine ruchlose Tat, sondern Gott hat es so gewollt. Doch nicht ein Kopf, sondern gleich vier liegen anfangs auf der von Muriel Gerstner gestalteten leeren, ganz in Schwarz ausgeschlagenen Guckkastenbühne in der ehemaligen Salinenhalle, der Experimentierbühne der Salzburger Festspiele in Hallein. Denn nicht als Einzelperson tritt Holofernes hier auf, sondern als lebender Toter in vierfacher Gestalt: vom cholerisch-wütenden Brutalo- bis zum schmeichelnden Softie-Feldherrn. Die ganze Psycho-Palette als Zeichen der vielschichtigen Charaktere dieses im Innersten restlos gespaltenen Menschen.

Aber auch Judith tritt uns hier dreifach entgegen: Stephanie Schönfeld als bisweilen hyperdramatische Hebbel-Figur, Tajana Raj im überdimensionalen schwarzen Reifrock als Koloraturen schmetternde Vivaldi-Judith und die Co-Autorin Anne Tismer, die reichlich banale Kommentare zur Emanzipation und zu anderen Themen einstreut. Dazu spielt das Orchester der Staatsoper Stuttgart unter der Leitung von Lutz Rademacher nicht nur musikalische Häppchen aus Vivaldis "Judith"-Oratorium, sondern auch Jazziges von Lars Wittershagen. Ein aufgeplustertes Mixed-Media, bei dem die vier Holofernes-Figuren sich nicht nur ständig verprügeln und kosen, sondern zwischen all den Aggressionsschüben auch noch singend über die Bühne tänzeln und bisweilen Vivaldis verzaubernde Musik mit vier Saxophonen übertönen.

Ein musikalischer und szenischer Mummenschanz in der alten, denkmalgeschützten Saline auf der Perner-Insel in Hallein. Eine dreieinhalbstündige Performance, die trotz manch eindrucksvoller Bilder und ästhetischer Personenarrangements letztlich im wüsten und ausufernden Aktionismus erstickt.

Weitere Aufführungen am 31. Juli sowie am 2., 4., 6. und 7. August; Kartentelefon: (0 04 36 62) 8 04 55 00.