Üben und üben – fast bis zum Umfallen

04.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:59 Uhr

THW- und Wasserwachthelfer Hand in Hand: Nachdem die Sandsäcke mit Booten von einem Ufer des Hafenbeckens in Münchsmünster ans andere gebracht worden sind, wird damit der Damm verstärkt. Hier wie andernorts bei der Großübung klappte alles. - Fotos: Rössle

Pfaffenhofen/Ingolstadt (PK) Philipp Wolf ist gestresst. Voll gestresst, wie er zugibt. Während in das eine Ohr fast ständig eine Stimme aus dem Funkgerät krächzt, trommeln auf das andere Ohr die bohrenden Fragen des Pressemannes ein

Und alles sei reibungslos abgelaufen, freut sich Andreas Geuther, der stellvertretende Wasserwachtchef in Bayern, zum Schluss der Großübung am Sonntagnachmittag. "Seit drei Tagen starke Regenfälle – großflächige Überschwemmungen – Deichbrüche entlang der Donau – Evakuierung hunderter vom Wasser eingeschlossener Menschen": So lautete das Horrorszenario für die Aktiven aus den fünf Wasserwachtbezirken im Freistaat, darunter auch eine Handvoll aus Manching.

40 Stunden im Einsatz

Ziel dieser laut Geuther größten und längsten Übung in der rund 60-jährigen Geschichte der Wasserwacht ist es, das Können der bunt zusammengewürfelten Rettungszüge auszuloten (und auch zu benoten) und das Führungsverhalten der Einsatzkräfte zu testen. Die Retter sollen bei der Vermisstensuche auf der Donau, der Dammsicherung oder der Evakuierung von Menschen auf einem treibenden Hausdach an die "Grenze ihrer körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit geführt werden", betont Geuther. So sind die Retter – alles ehrenamtlich Tätige – während der Übung zwischen Freitag, 15 Uhr, und Sonntag, 16 Uhr, rund 40 Stunden voll beschäftigt. Da bleiben pro Nacht nur vier, fünf Stunden Schlaf in den aufgestellten Zelten und kurze Pausen am Tag. "Das ist schon ganz schön anstrengend. Man kommt eigentlich nie zur Ruhe", erklärt Jan Kahan (30) aus Augsburg. Dass niemand übermüdet zu den zwölf Übungsstationen kommt, dafür sorgen die Zugführer.

Unermüdlich sind die Wasserwachtler an diesem sonnig-warmen Samstag auf dem Pionierübungsplatz in Münchsmünster dabei, rund 600 Sandsäcke auf Booten von einem Ufer des Hafenbeckens einige hundert Meter weiter ans andere Ufer zu befördern. Dort schichten 30 Kräfte des Technischen Hilfswerks Pfaffenhofen zehn Stunden lang die Säcke zu einem fast 1,50 Meter hohen und rund 30 Meter langen Hochwasserdamm auf. 200 Säcke haben die THW-Helfer zuvor mit einer speziellen Maschine, die der Markt Pförring zur Verfügung gestellt hat, gefüllt. "Das ist ganz schön schweißtreibend", meint Zugführer Björn Kelch.

Überanstrengung und Hitze führen dazu, dass ein Helfer einen Kreislaufzusammenbruch erleidet – natürlich keinen echten. Und hier sind wieder die Wasserwachtler gefordert: Der "Verletzte" wird auf einer Trage in ein Boot hinabgelassen und dann zum Rettungswagen gebracht. Außerdem passen die Retter auf, dass keiner der THWler ins Wasser fällt. "Die Zusammenarbeit hat einwandfrei funktioniert", hebt Einsatzleiter Roland Vogt hervor.

Routiniert laufen auch die zahlreichen Tauchgänge ab. Als ideal erweist sich dabei der weitläufige und von der Bevölkerung abgeschirmte Pionierübungsplatz in Ingolstadt. Hier suchen die Taucher ein ins Hafenbecken gestürztes (richtiges) Auto und deren Insassen. Nach wenigen Minuten geben die Froschmänner über eine Leine das Signal: Mensch und Maschine entdeckt. Die Rettung mit Booten läuft an.

Hausdach auf der Donau

Plötzlich werden zwei Dutzend Übungsteilnehmer ans Ufer der Donau gerufen. Dort treibt ein Hausdach mit mehrere vom Hochwasser eingeschlossenen Menschen. Ruckzuck sind die Bootsbesatzungen bei der eigens angefertigten Holzkonstruktion, holen die Opfer vom Dach, ziehen einen Mann aus dem kalten Wasser . Auch bei diesem realitätsnahen Einsatz kann nach wenigen Minuten Entwarnung gegeben werden.

Schon geht es weiter, zu einem völlig anderen Einsatz. Ein Auto ist verunglückt, und die überwiegend jungen Wasserwachtler müssen die Verletzten medizinisch versorgen. "Ein Verkehrsunfall kann sich eben auch bei einer Hochwasserkatastrophe ereignen", sagt Helmut Köhler. Der technische Leiter der Wasserwacht in Bayern, gestählt durch viele Übungen und Großeinsätze in den vergangenen Jahren, ist schon öfter an seine Leistungsgrenze gegangen. "Einmal habe ich zwei Nächte nicht geschlafen, da konnte ich nur noch ins Funkgerät hineinstammeln." Er weiß: "Nur wer seine Grenzen kennt, kann ganz anders an eine reale Geschichte herangehen."

Ein alter Hase ist auch Walter Kaluza. Der Unterfranke, der am Freitagvormittag 200 Kilometer Anreise auf sich genommen hat und in der Nacht zum Samstag sechs Stunden lang auf einem Boot den Damm entlang der Altmühl bei Riedenburg kontrolliert hat, zeigt sich "überhaupt nicht müde". Der Adrenalinschub sei schließlich "immer hoch genug". Warum tut er sich die Strapazen nur an? "Es macht Spaß. Und es ist schön, Menschen zu helfen."