Deutschland
Typen, Helden, Weltmeister

Die 23 Mitglieder des WM-Kaders in der Einzelkritik

14.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:28 Uhr

 

Deutschland hat neue 23 Fußballhelden. 23 Elitekicker, die uns nun den vierten WM-Stern auf dem Trikot bescherten. Obwohl, waren’s wirklich 23, die die gesamte Nation jetzt jubeln ließen? Schauen wir mal genauer hin – auf den DFB-Kader in Brasilien, und was jeder Einzelne bei den Titelkämpfen in Südamerika so leistete.

n Manuel Neuer: Bekam nach dem Turnier den „Goldenen Handschuh“ als bester WM-Torwart überreicht. Zu Recht, denn der 28-Jährige blieb in allen sieben Partien komplett fehlerlos. Gab der DFB-Truppe Sicherheit, war in jeder Phase ein fantastischer Rückhalt. Einen besseren Keeper als ihn gibt es momentan nicht auf der Welt.

n Benedikt Höwedes: Bestritt auf ungewohnter Position, als Linksverteidiger, alle 690 Turnierminuten des DFB-Teams. Dass seine Offensivbemühungen mitunter ein bisschen hilflos aussahen – es sei dem Schalker verziehen. Seine Hauptaufgabe lag schließlich darin, hinten den Laden dicht zu machen. Und das gelang ihm. Zumindest weitestgehend.

n Mats Hummels: Erzielte als Innenverteidiger zwei wichtige Tore, darunter das entscheidende im Viertelfinale gegen Frankreich. In der Defensive höchst konzentriert, unaufgeregt, schlichtweg souverän. Schöpfte endlich sein großes Potenzial auf dieser Position voll aus.

n Per Mertesacker: Dank Wut-Interview nun unfreiwillig zum Kult-Rapper geworden („Eis, Eis, Tonne“). Ebenso unfreiwillig: seine sportliche Talfahrt in Brasilien – vom unumstrittenen Leistungsträger zum Ergänzungsspieler. Aber wie der 29-Jährige dann mit seiner Zurückstufung auf die Bank umging: Weltklasse.

n Jérôme Boateng: Der einstige Bruder Leichtfuß ist endgültig erwachsen geworden. Je länger das Turnier dauerte, umso sicherer, umso zuverlässiger wurde er – mit der Galavorstellung im Finale als absoluten Höhepunkt.

n Sami Khedira: Tat nach gerade erst auskuriertem Kreuzbandriss zwar sein Möglichstes, kämpfte und rackerte – war aber nicht der erhoffte Leistungsträger. Zeigte am Sonntag Größe, als er wegen Wadenproblemen auf das Finale verzichtete – und nicht aus falschem Ehrgeiz auf einen Einsatz bestand.

n Philipp Lahm: Warum der wohl weltbeste Rechtsverteidiger fast vier Spiele lang im zentralen Mittelfeld agierte? Man muss es nicht unbedingt verstehen. Aber kaum rückte der Kapitän auf seine Stammposition zurück, war alles gut – nach hinten und nach vorne.

n Bastian Schweinsteiger: Wohl der Mann der WM aus deutscher Sicht. Nach Verletzungsproblemen erst nur Wackelkandidat, dann sehr schnell der uneingeschränkte Chef auf dem Platz. Schonte sich nicht, war überall, ging keinen Zweikampf aus dem Weg. Ein echter Typ.

n Toni Kroos: Zählte immer zu den Deutschen mit den meisten Ballkontakten. Der 24-Jährige hatte seinen ganz großen Auftritt im Halbfinale gegen Brasilien, als ihm zwei Treffer gelangen. Ansonsten aber, gemessen an seinem riesigen Potenzial, mit viel zu vielen Alibipässen, mit viel zu wenig Risiko.

n Mesut Özil: War weit davon entfernt, als Regisseur im Mittelfeld zu glänzen. Zugegeben: Der gebürtige Gelsenkirchner durfte nicht auf seiner Lieblingsposition direkt hinter den Spitzen ran – aber deswegen hätte er sich ja nicht immer wieder auf den Flügeln verstecken müssen. Es war nicht seine WM.

n Thomas Müller: Stimmungskanone, Leistungsträger und Torjäger in einer Person. Seine unkonventionelle Spielweise, seine positive Verrücktheit – immer wieder ein Augenschmaus. Dass es der Mann aus Pähl am Ende verpasste, erneut WM-Torschützenkönig zu werden – egal. Auch so wieder ein ganz Großer.

n Miroslav Klose: Der „Opa“ steht nun endgültig in den Geschichtsbüchern – als bester Torschütze aller WM-Endrunden (16 Treffer). Gut, dass er sich beim Salto nach dem 2:2 gegen die USA nicht verletzte, denn das Team brauchte ihn auch danach – als nimmermüden Arbeiter, als Unruheherd. Trotz seiner bereits 36 Jahre.

n Mario Götze: Das schlampige Genie. Der 22-Jährige befand sich bereits auf dem besten Weg, zu einer großen WM-Enttäuschung zu werden – bevor er sich mit dem entscheidenden Treffer im Endspiel doch noch unsterblich machte. Und Götze tat das nicht irgendwie, sondern im Stile eines absoluten Champions: technisch auf höchstem Niveau, mit einer unglaublichen Coolness. Muss trotzdem auf der Hut sein, dass er den nächsten Entwicklungsschritt nicht verpasst.

n Lukas Podolski: Zwei Kurzeinsätze in der Vorrunde, das war’s bereits für ihn. Und das Schlimme für Poldi: Es vermisste ihn auch niemand. Seine Zeit im DFB-Team scheint sich dem Ende entgegenzuneigen, es gibt Bessere.

n Shkodran Mustafi: Er hatte als Inbegriff des WM-Touristen gegolten. Als Paradebeispiel für einen Kicker, den niemand braucht. Und dann kam der gebürtige Bad Hersfelder eben doch zu drei WM-Einsätzen. Warum, das konnte er in diesen Spielen allerdings nicht unter Beweis stellen.

n Christoph Kramer: Der Mönchengladbacher erlebte in Brasilien sein ganz persönliches Fußballmärchen – mit 45 Einsatzminuten in drei Partien. Ursprünglich war er ja nicht mal im erweiterten WM-Kader gestanden – jetzt kommt er sogar als Finalteilnehmer mit Brummschädel nach Hause.

n André Schürrle: Irgendwie ist’s schon dumm für ihn, dass er als Joker so stark ist. Für Bundestrainer Löw gab’s somit keinen Grund, den 23-Jährigen mal von Anfang an auszuprobieren. Stattdessen kam Schürrle sechsmal von der Bank und erzielte drei Treffer.

n Julian Draxler: Immerhin, 15 Halbfinalminuten waren dem Schalker vergönnt. Mehr durfte er nicht erwarten – nach einer Saison 2013/14, in der für ihn nicht alles nach Wunsch verlaufen war.

n Roman Weidenfeller, Erik Durm, Kevin Großkreutz, Matthias Ginter: Drei aktuelle Dortmunder, ein (höchwahrscheinlich) Bald-Dortmunder – das ergibt vier WM-Touristen ohne jeden Einsatz. Hat der Bundes-Jogi irgendetwas gegen den BVB? Zumindest rund um den Signal-Iduna-Park dürften sich einige Herren diese Frage nun stellen.

n Ron-Robert Zieler: Der Hannoveraner hatte auf dem Platz bei dieser WM die gleiche Funktion wie der Busfahrer und die Zimmermädchen – nämlich gar keine. Aber das war schon vor dem Turnier klar gewesen. Roland Kaufmann