TU-Referendare über Ingolstadt:"Hier geht’s immer nur um Wirtschaft"

01.02.2009 | Stand 03.12.2020, 5:14 Uhr

Ideen für Ingolstadt: Die Baureferendare Thomas Harant und Ralf Kretschmann (von links) im Gespräch mit den Stadtplanern Ulrike Brand und Siegfried Dengler aus Ingolstadt. - Foto: Herbst

Ingolstadt (DK) Silver Sex im Hahnenhof, moderne Wohnwürfel für Audianer auf der Pionierkaserne, das Bayernoil-Gelände als Öko-Musteranlage mit Biogas, Gärsilos und Wärmepumpe – 38 junge Leute wollen der Stadt Ingolstadt auf die Sprünge helfen. Am Freitag stellten die TU-Referendare ihre Ideen vor.

Es hat vielleicht nie einen besseren Zeitpunkt gegeben, um über Ingolstadts Zukunft nachzudenken als jetzt. Ist doch die Stadt gerade dabei, auf allen Ebenen die Reform ihres Entwicklungs- und Flächennutzungsplanes in Gang zu bringen. Da kommen frische Ideen von außerhalb gerade recht – wie die der Baureferendare an der Technischen Universität München.

Künftige Führungskräfte

Bei einem fächerübergreifenden Seminar knöpften sich die künftigen Architekten, Ingenieure, Straßenbauer und Wasserwirtschaftler vier Themen vor: das Umfeld der Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen, Hochwasser und Stadtgestalt in Passau, Neuordnung des Verkehrs am Schloss Neuschwanstein und eben die Stadtentwicklung in Ingolstadt zwischen Wirtschaft und Baukultur. "Irgendwas beim Staat", so oder ähnlich antworten viele der jungen Referendarinnen und Referendare, die kurz vor der Prüfung stehen, wenn man sie nach ihren Berufswünschen fragt. Sie sind der Nachwuchs für die bayerische Bau- und Umweltverwaltung, darunter viele künftige Führungskräfte. Auch Stefanie Spreng aus Gaimersheim zählt zu ihnen. Die 26-jährige Städtebauerin ist die einzige Referendarin aus dem Raum Ingolstadt in diesem Kreis. Doch ihr Thema beim Seminar war Passau.

Schlechtes Image

Anders Thomas Harant (29) aus München, ebenfalls Fachrichtung Städtebau. "Wenn’s um Ingolstadt geht, geht’s immer nur um Wirtschaft", schickte er kritisch seinem Vortrag voraus. Die Stadt sei zwar ein "wirtschaftlicher Leuchtturm", leide aber "unter ihrem schlechten Image". Im Dreieck des Sozialen, der Ökologie und der Ökonomie habe Letztere ein klares Übergewicht.

Harant hat sich als ersten Schwerpunkt das Ingobräu-Gelände (Stichwort Hahnenhof) vorgenommen. Einem Einkaufszentrum auf diesem Areal kann der junge Städtebauer nicht viel abgewinnen. Vorzuziehen wären schicke Wohnungen für die "jungen Alten", die noch dazu "meistens sehr kaufkräftig" seien. Schlagwort der Referendare: Altstadtwohnen der Generation Silver Sex.

In der leer geräumten Pionierkaserne hat die Phantasie der Nachwuchsplaner noch viel mehr Freiraum. Auf der Konversionsfläche der Bundeswehr könnte mit den unterschiedlichsten Wohnformen experimentiert werden. Harant prägt dafür die Begriffe "kurzfristiges Wohnen" (Soldaten, Studenten) für die Flächen vorne an der Manchinger Straße und "längerfristiges Wohnen" im hinteren Bereich am ruhigen Grünzug.

Ebenfalls auf dem Grundstück der Pionierkaserne könnte den gut verdienenden Mitarbeitern des größten Ingolstädter Arbeitgebers ein speziell auf sie zugeschnittenes Quartier angeboten werden. Dieses "Wohnen für Audianer" zeichnet sich durch modernes Design und die bewusste Präsenz des Autos aus. In einer Computermontage ist ein gläserner Autolift als "Rucksack am Wohnwürfel" zu sehen.

Wohnen im Glacis

Noch attraktiver könnte das neue Wohngebiet an der Manchinger Straße dadurch werden, dass die Verbindung zur Innenstadt weiter erleichtert wird. Das junge Planerteam entwirft dazu eine Grünbrücke über die Ringstraße, die an der Saturn-Arena vorbei weiter zum Klenzepark führt.

Wenig Freunde werden sich die Referendare in Ingolstadt wohl mit einer anderen Idee machen: Das Glacis müsse keineswegs absolute Tabuzone bleiben, sondern sollte an einigen Entwicklungsachsen für den hochwertigen Wohnungsbau geöffnet werden. Aber: "Die verbleibenden Grünflächen sollten dann in ihrer Qualität gesteigert und in ihrer Größe eindeutiger festgesetzt werden." Ganz aktuell sind dagegen die Überlegungen von Ralf Kretschmann (37), der aus Thüringen stammt und vor seinem TU-Studium des Maschinenwesens und der Elektrotechnik einige Jahre bei der Bundeswehr diente.

Unter dem Titel "Metamorphose" beschreibt er den Wandel auf dem Bayernoil-Gelände. Doch hat er weniger ein Fußballstadion oder Wohnungen im Sinn als ein hochmodernes Gewerbegebiet mit allem, was die Umwelttechnik zum Thema Altlasten hergibt.