Washington
Trump stolpert ins Abseits

Das Wahlkampfteam des Präsidentschaftskandidaten hat alle Hände voll zu tun

10.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:26 Uhr

Washington (AFP) Donald Trump tappt aus Sicht vieler Beobachter von einem Fettnapf in den nächsten. Immer mehr US-Republikaner wenden sich von ihrem umstrittenen Präsidentschaftskandidaten ab. Hinter den ständigen Entgleisungen des Milliardärs könnte aber auch eine clevere Strategie stecken.

Er beschimpft seine Kontrahentin als Teufelin. Er hat die Russen zum Hackerangriff auf die Ex-Außenministerin aufgefordert. Hat Donald Trump jetzt sogar zum Attentat auf Hillary Clinton aufgerufen? Bei dem Rechtspopulisten, der im US-Wahlkampf bereits serienweise Tabus gebrochen hat, scheint auch dies inzwischen vorstellbar. Wieder entfacht der New Yorker Immobilientycoon einen Sturm der Entrüstung, wieder bemüht sich sein Wahlkampfteam hektisch um Schadensbegrenzung - dieser Tage kein dankbarer Job. Und wieder beschuldigt das Trump-Lager die Medien, seine Worte frecherweise zu verdrehen.

Dieser Ablauf ist in diesem Wahlkampf schon zu einem leidigen Ritual geworden. Doch der neueste Ausraster des Kandidaten scheint alle bisherigen Dimensionen zu sprengen - und könnte die Abwärtsspirale, in die er sich in den vergangenen Wochen selbst hineingetrieben hat, beschleunigen.

Den neuesten Skandal löst Trump bei einem Auftritt im Bundesstaat North Carolina aus. Er spricht über die vermeintlichen Pläne Clintons, das Verfassungsrecht auf privaten Waffenbesitz - den sogenannten Zweiten Verfassungszusatz - mithilfe linksliberaler Richter abzuschaffen. Trump sagt: "Wenn sie die Richter auswählen kann, könnt ihr nichts machen, Leute. Obwohl die Unterstützer des Zweiten Verfassungszusatzes - vielleicht doch, ich weiß nicht . . ." Trump führt den Satz nicht aus. Es bleibt Raum für heftige Spekulationen und Interpretationen. Die Worte werden sofort von vielen als Aufruf zur Gewalt gegen die Demokratin oder Richter verstanden. Trumps Wahlkampfteam sieht sich deshalb genötigt, rasch eine Interpretation nachzuliefern. Der Kandidat habe lediglich über die "große politische Macht" der Waffenfreunde gesprochen, die als geschlossene Gruppe gegen Clinton und für Trump stimmen würden, heißt es in einem merklich gewunden formulierten Statement. Doch der Sturm lässt sich so nicht mehr eindämmen. Hillary Clintons Wahlkampfteam wettert, ein Kandidat für das Amt des US-Präsidenten sollte "in keiner Weise Gewalt vorschlagen".

Der neueste Ausraster könnte auch die Absetzbewegungen in Trumps eigener Partei befeuern. Seit er Mitte Juli offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert wurde, haben sich seine Fehltritte dramatisch gehäuft, sind seine Umfragewerte abgestürzt und haben ihm zahlreiche prominente Republikaner die Gefolgschaft verweigert. So warnten 50 mächtige und erfahrene Politiker der Partei zu Wochenbeginn in einem offenen Brief vor Donald Trump.

Zeitweise hatte sich Trump in den vergangenen Tagen in Selbstdisziplin versucht, um die Abwärtsspirale zu stoppen. So ging er auf seine innerparteilichen Kritiker zu. Doch am Tag danach in North Carolina ist er schon wieder der alte Trump. Es ist der Trump, der sich nicht ans Skript hält, der spontan daherpalavert und sich in krudem Humor und vagen Andeutungen ergeht. Die Hoffnung, dass sich der Kandidat noch in den Griff bekommen könnte, dürfte nach seiner zweideutigen Ansprache an die Waffenfreunde in der Führung der Partei weiter schwinden. ‹ŒKommentar Seite 2