Riedenburg/Mühlhausen
Traute Zweisamkeit

Der Riedenburger Künstler Fabian Helmich beteiligt sich am Bildhauersymposium in Mühlhausen

07.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:20 Uhr
Wild ist das Werk von Fabian Helmich: Mit einem Hammer bearbeitet er den Beton, um die dahinterliegenede beschriftete Plexiglasscheibe sichtbar zu machen. −Foto: Fotos: Schmied/Helmich

Riedenburg (DK) Für Fabian Helmich aus Riedenburg ist es eine absolute Premiere, für Florian Zeitler aus Teublitz irgendwie auch. Beide Künstler arbeiten derzeit beim mittlerweile neunten Bildhauersymposium in Mühlhausen an ihren Werken - elf Tage haben sie und die sieben anderen Teilnehmer dafür Zeit. Das Thema auf dem Gelände an der Schleuse 25 des Ludwigkanals: Sterio - Paarlauf.

Mit Beton kennt er sich mittlerweile ziemlich gut aus. Kein Wunder. Schließlich hat Fabian Helmich für seine beiden Stelen mehrere Zentner davon in mühsamer Schweißarbeit angerührt. Bei den tropischen Temperaturen ein ziemlicher Kraftakt. Und Gummistiefel sind aktuell wahrlich nicht die erste Wahl in Sachen Fußbekleidung. Macht aber nichts. Es geht ja schließlich um die Kunst, und da ist voller Einsatz gefordert. "Der Beton muss jetzt drei Tage trocknen. Dann schlage ich mit dem Hammer darauf ein", sagt der Riedenburger, der sein Atelier für elf Tage nach Mühlhausen in ein Schleusenhaus verlegt hat.

Er ist zum ersten Mal beim dortigen Bildhauersymposium dabei, das bereits in der neunten Runde bei der Schleuse 25 am Ludwigskanal stattfindet. Fabian Helmich ist heuer der Gastkünstler, den sich die Riege um Initiator Michael Königer - besser bekannt als die Gruppe Der Schmale Grat - zum kreativen Schöpfungsakt im zweijährigen Rhythmus einlädt. Bei den zweiten Sulztaler Kunst- und Kabaretttagen der Gemeinde Mühlhausen im Vorjahr war Helmich bereits vertreten. Die Teilnahme am Symposium ist dennoch eine Premiere - in vielerlei Hinsicht. "Dass eines meiner Werke im öffentlichen Raum zu sehen ist und dort bleibt, hebt das Ganze auf eine neue Ebene", betont er. Denn die beiden Betonstelen werden mit der Enthüllung bei der Vernissage am Samstag Teil des Skulpturenpfads entlang des Ludwigskanals.

Florian Zeitler - oder besser: seine Metallwerke - sind dort bereits auffindbar. Der Künstler aus Teublitz ist nicht zum ersten Mal in Mühlhausen, und dennoch beschreitet er diesmal völlig neue Wege. Mit Steinen hatte er bis dato nicht wirklich viel am Hut. Zumindest nicht in diesem Format. Für den linken kleinen Finger hat er sich vorsorglich einen Schutz gebastelt - Stoff mit Isolierband drum herum, damit der Meißel beim Arbeiten am Felsbrocken nicht so scheuert. Zeitler setzt ein breites Grinsen auf. "Wir sind beide keine Steinbildhauer", schiebt er zur Erklärung hinterher und meint sich und Klaus Schuppe, der sich im "echten" Leben eher an Holz oder mit Beton austobt. Sie arbeiten gemäß des Mottos gemeinsam an einer Skulptur: Sterio - Paarlauf - zu zweit. Dass er mit seinem Arbeitsmaterial wenig Erfahrung hat, findet Zeitler dabei gar nicht schlimm. "Man lernt viel. Und man kann vielleicht auch experimenteller an die Sache rangehen", sagt er.

Überhaupt sei das Schöne als freischaffender Künstler, frei schaffen zu können. Und so hat sich das Duo Zeitler/Schuppe etwas Besonderes für ihre Quasi-Premerie in Stein einfallen lassen. Den Brocken - ein Kalkstein, der einst in der Schleuse verbaut war - haben sie zunächst in zwei Hälften geteilt. An der Schnittstelle werden die beiden ausgearbeiteten Stücke wieder aufgestellt. Klaus Schuppe beschäftigt sich auf seiner Seite mit der Entstehung eines Steins. "Ich widme mich der Bedeutung des Materials in der Jetztzeit", sagt Zeitler. Der Stein als Baustoff: Schotter, Bodenbelag, Fassadenverkleidung. Die Stadtansicht, die der Metallbildhauer herausarbeitet, ist dementsprechend geradlinig, nüchtern. Der Clou an beiden Stücken: ein eingebohrter QR-Code, der zu einer Klangdatei auf der Homepage des jeweiligen Künstlers führt. Das Geräusch hat - so viel sei schon einmal verraten - etwas mit dem Thema der jeweiligen Skulpturenhälfte zu tun. "Wenn man zwei Handys hat, zum Beispiel ein Paar, dann kann man beide gleichzeitig anhören", beschreibt Zeitler. Stereo eben.

Halbe Halbe machen auch die Bildhauer Michael Königer und Michael Lynderup. Sie arbeiten zwar Seite an Seite, sind aber dennoch durch eine Trennwand voneinander isoliert. Der eine soll nicht wissen, was der andere macht. Jeder erarbeitet eine Hälfte eines Gesichts, das erst zur Vernissage als Ganzes präsentiert wird. Gewisse Achsen haben die Künstler zwar festgelegt, ansonsten hat jeder freie Hand, was die Gestaltung angeht. Eine alte Frau und ein Jüngling? Ein Mann in verschiedenen Lebensstadien? Die beiden Bildhauer setzten bei ihrem Paarlauf auf den Überraschungseffekt.

Auch Fabian Helmich lässt sich überraschen, und zwar irgendwie von sich selbst. Denn da wäre ebenjene Sache mit dem Hammer, mit dem er seine beiden Stelen nach dem Trocknungsprozess bearbeitet. Die eine misst 80 mal 80 Zentimeter, die andere 80 mal 130. In die Holzrahmen hat er zunächst eine Schicht Beton gegossen, dann kam eine beschriftete Plexiglasscheibe hinein, darauf wieder Beton. Durch die Hammerschläge macht Helmich einzelne Passagen wieder sichtbar. Wie viel soll er wegnehmen? Was sieht schön aus? "Das wird eine intuitive Geschichte", sagt er. Danach wird das Werk mit einer Harzschicht versiegelt, damit nichts abbröckelt.

Die ersten Tage im Schleusenhaus hat Helmich mit Schreiben verbracht. Auf die größere der beiden Plexiglasplatten hat er die Bayerische Verfassung übertragen. Nicht alles natürlich, etwa bis Artikel 59 hat die Scheibe gereicht. "Die Schrift ist ganz klein. Es geht mir nicht um die Lesbarkeit. Das muss niemand lesen können, weil die Verfassung so verfügbar ist", beschreibt der Riedenburger. Ihm geht es um die Feststellung, dass die Verfassung den Menschen die Möglichkeit gibt, frei zu leben und sich frei zu entfalten. Daran schließe sich die Frage nach der eigenen Existenz an. Für Fabian Helmich hat das viel mit der Frage nach dem Sinn von Kunst zu tun. Warum braucht man sie? Was macht sie brauchbar? Auf der kleineren Scheibe hat er seine Gedanken zu diesem Thema festgehalten.

Warum auf der kleineren? Warum hat die Verfassung so viel Raum? Eigentlich mag Fabian Helmich diese Fragen gar nicht beantworten. Letztlich muss sie der Betrachter in jedem Fall selbst für sich finden. "Die Stelen stehen gleichwertig nebeneinander, nur die Höhe ist unterschiedlich", sagt er erst einmal. Und dann findet er doch eine Antwort. "Die Verfassung ist für alle gültig, das Andere in erster Linie für mich."

Kathrin Schmied