Traumatisierung und Entwurzelung

Zwei sehenswerte Filme von Regie-Urgestein Uli Edel: "Der Club der singenden Metzger" und "Unterm Birnbaum"

26.12.2019 | Stand 23.09.2023, 9:57 Uhr
  −Foto: Wehner/ARD Degeto/ SWR/Constantin Film, Hubach/ZDF

Berlin - "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" war sein erster großer Film. Es folgten Werke wie "Letzte Ausfahrt Brooklyn", "Der Baader Meinhof Komplex" und die dreiteilige Familiensaga "Das Adlon".

Jetzt hat Uli Edel innerhalb kurzer Zeit gleich zwei Filme gedreht. Sie laufen an einem Abend und auch noch zur gleichen Zeit, der eine in Arte, der andere im Ersten. So heißt es im TV-Duell: Edel gegen Edel!

"Der Club der singenden Metzger" ist ein Zweiteiler, 180 pralle Minuten über den Traum von einem besseren Leben. Das historische Auswandererepos nach dem US-Bestseller "The Master Butchers Singing Club" erzählt die Geschichte eines schwäbischen Metzgers, der sein Glück in den USA sucht. Ein Film über Migration, über Aufbruch, Hoffnung und Heimweh. Das Drehbuch stammt von Doris Dörrie und Ruth Stadler, die das Panorama einer nach dem Krieg perspektivlosen Auswanderergeneration entwerfen, die man heute wohl als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen würde.

Um Not und Armut zu entfliehen, emigriert Metzger Fidelis Waldvogel (stark: Jonas Nay) nach North Dakota, genauer gesagt nach Argus, weil sein Geld bis dahin reicht. Er arbeitet bei einem polnischen Metzger, macht sich bald selbstständig, weil seine "Würscht die besten sind". Dann holt er seine Frau Eva (Leonie Benesch) samt kleinem Kind nach. Auch die Hamburger Zirkusartistin Delphine (Aylin Tezel) hat es mit ihrem Vater, dem trunksüchtigen Clown Robert (Sylvester Groth) hierher verschlagen. Als Eva krank wird, bittet sie Delphine, ihr im Laden zu helfen. Statt der erwartbaren Dreiecksgeschichte erzählt der Film aber eine tiefgehende Freundschaft zwischen zwei Frauen. Der "Club der singenden Metzger" wirkt zuweilen ein wenig kitschig, etwa wenn der Schwabe heimische Sangeskunst in den USA verbreitet, aber imposant ist - neben dem starken Ensemble - das Szenenbild, die Kostüme und die Kamera (Hannes Hubach).

Eher spannend-subtil kommt Uli Edels zweiter Film nach dem Drehbuch von Léonie-Claire Breinersdorfer daher. "Unterm Birnbaum" basiert auf Theodor Fontanes 1885 veröffentlichter Novelle, die als Frühwerk der Kriminalliteratur gilt. Zu Fontanes 200. Geburtstag wurde daraus ein erstklassig besetztes Thriller-Drama. Fritz Karl und Julia Koschitz spielen das Ehepaar Hradschek, Katharina Thalbach die Mutter Jeschke und Devid Striesow den misstrauischen Polizisten Geelhaar.

Die Hradscheks betreiben einen Gasthof im Oderbruch. Der läuft mies, aber sie leben gut. Abel hat Spielschulden, Ursel tröstet sich über den Tod des Kindes mit Online-Shopping hinweg. Ein reicher Gläubiger fordert nun sein Geld. Da hat Abel einen Plan. Mit Hilfe seiner Frau begeht er den "perfekten Mord", vergräbt die Leiche unter Birnbaum, wo er bei Gartenarbeiten zufällig das Skelett eines Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt hatte. Der Dorfpolizist ist sich sicher, dass Abel der Mörder ist. Doch es gibt keine Leiche. Aber es gibt die alte Nachbarin Jeschke.

Es sind zwei sehenswerte Filme, da fällt die Wahl durchaus schwer. Edel-Fans sei empfohlen: "Unterm Birnbaum" läuft am Montag dann auch noch im ZDF.

DK


"Der Club der singenden Metzger", ARD, heute, 20.15 Uhr; "Unterm Birnbaum", Arte, heute, 20.15 Uhr.
 

Volker Bergmeister