Riedenburg
Trauer um Heinz Barth

Riedenburgs ältester Bürger stirbt wenige Wochen nach seinem 105. Geburtstag

16.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:56 Uhr

Foto: DK

Riedenburg (rat) Er war ein Gentleman der alten Schule, hoch gebildeter Steuerberater, belesener Hobbyhistoriker, leidenschaftlicher Fotograf und DK-Mitarbeiter, waschechter Berliner und dennoch begeisterter Prunner: Am Donnerstag ist Heinz Barth im Alter von 105 Jahren gestorben.

Den Tod von Riedenburgs ältestem Gemeindebürger bestätigte dessen Tochter Hannelore Hollmichel an diesem Freitag auf Anfrage unserer Zeitung. "Er ist am Donnerstagfrüh in seinem Haus in Prunn friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen", sagte Hollmichel. Nach dem 105. Geburtstag habe ihr Vater eine Erkältung gehabt, von der er sich nicht mehr erholt habe. "Er wollte wohl aber auch nicht mehr weiterleben", vermutete Hollmichel. Sie kündigte an, dass es für Heinz Barth am Freitag, 30. Juni, um 13 Uhr einen Trauergottesdienst in der evangelischen Christus-Kirche in Riedenburg geben wird. Die Urnenbeisetzung werde zu einem späteren Zeitpunkt in Berlin erfolgen, wo bereits seine Frau Käthe begraben liegt.

 

Noch am 23. April hatte Barth in seinem gemütlichen Haus mit Blick auf Burg Prunn seinen 105. Geburtstag gefeiert. Im Sakko und mit der unvermeidlichen eleganten Krawatte, hatte er mit Landrat Martin Neumeyer und Bürgermeister Siegfried Lösch (beide CSU) sowie vielen Gästen geplaudert. Sein Humor bei derlei Gesprächen war immer trocken, aber nie verletzend. Barths immenses zeitgeschichtliches Wissen war aus seiner Lieblingslektüre Geschichtsbücher angelesen, aber auch selbst erlebt. Denn mit ihm geht einer der letzten Menschen, die man getrost als Zeitzeugen fast des gesamten 20. Jahrhunderts bezeichnen kann.

Heinz Barth kam am 23. April 1912 in Tempelhof zur Welt, acht Tage nach dem Untergang der "Titanic", wie er genüsslich zu erzählen pflegte. Sogar an den Ersten Weltkrieg, der während seiner frühen Kindheit tobte, hatte er Erinnerungen, wie seine Tochter berichtete.

Nach dem Abitur im Jahr 1932 fand er eine Stelle im Vertrieb des jüdischen Ullstein Verlags in Berlin. Der brachte unter anderem die den Sozialdemokraten nahestehende "Berliner Morgenpost" heraus. Mit den Nationalsozialisten wollte Barth nichts zu tun haben. Mit Grausen erinnerte er sich an die gewaltsame "Arisierung" des Ullstein Verlags durch braune Truppen im Jahr 1934. Neben der Arbeit studierte Barth in seiner Freizeit Betriebswirtschaft an der Handelshochschule Berlin, um eines Tages seinen Traumberuf Steuerberater ausüben zu können.

Doch das zivile Leben endete abrupt am 28. August 1939. Barth wurde zwei Tage vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die Wehrmacht eingezogen. Bis 1945 diente er in einem Sanitätszug, der kranke und verwundete Soldaten von allen Fronten nach Hause fuhr. In Lübeck geriet er in britische Gefangenschaft, kehrte aber bald heim nach Berlin. "Im Krieg habe ich mir nur die Nase erfroren", erzählte vor einigen Jahren unserer Zeitung.

Zunächst schlug er sich als Chemiker und Buchhalter durch die karge Nachkriegszeit. Erst 1960 konnte er den bereits seit den 1930er Jahren angestrebten Beruf des selbstständigen Steuerberaters ergreifen. Bereits 1942 hatte er seine Frau Käthe geheiratet, die ihm einen Sohn und eine Tochter gebar.

Im Jahr 1969 verschlug es ihn durch Zufall erstmals ins Altmühltal. Seine Frau und er hätten sofort beschlossen, dass sie hier ihren Lebensabend verbringen wollten. Die Barths kauften ein Grundstück in Prunn und errichteten darauf ihre Altersresidenz. Im Jahr 1977 wurde die Steuerkanzlei in Berlin verkauft und der Umzug in die Großgemeinde Riedenburg in Angriff genommen. Der Aufenthalt sollte schließlich zumindest für Heinz Barth vier Jahrzehnte dauern, seine Frau Käthe starb vor sieben Jahren. Mit über 100 Jahren fuhr er noch selbstständig Auto, seine Eloquenz und geistige Frische waren beneidenswert.

Zur raschen Integration in die Dorfgemeinschaft trug nicht nur Barths sympathisches und offenen Wesen bei. Er heuerte als Schreiber und Fotograf beim Donaukurier an, trug viele Jahre den Ehrentitel "Ältester Mitarbeiter des DK". Bis zuletzt war er jeden Morgen ein kritischer Leser unserer Zeitung.