Inggolstadt
Trambahn für Ingolstadt?

Nahverkehrskonzept eines Hautarztes könnte Ingolstadt nicht nur einen Hauch von Großstadt verleihen

19.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr
Hautarzt und UDI-Mitglied Markus Stockmeier schildert seine Idee einer Trambahn. −Foto: Schmatloch

Ingolstadt (DK) Das Wort „Vision“ mag er eigentlich gar nicht, zitiert wie aus der Pistole geschossen das berühmte Zitat des einstigen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, der einmal gesagt hat, wer Vision habe, solle zum Augenarzt gehen. Markus Stockmeiers Idee, wie man den Verkehr in Ingolstadt mit einer Schienenlösung in eine tragfähige Zukunft führen könnte, klingt gleichwohl visionär. Bei näheren Hinsehen indes ist sie alles andere als das. Ein wenig Stadtgeschichte, etwas planerische Vernunft und der Wunsch, großstädtisch zu denken - das sind die Bausteine des Konzeptes. Es geht weit über das hinaus, was die Ingolstädter Parteien bislang an fragmentarischen Ideen vorgestellt haben.

„Es sieht vielleicht visionär aus, ist aber ganz greifbar“, sagt der Ingolstädter Hautarzt, der nach einem kurzen Engagement bei den Freien Wählern jetzt bei den Unabhängigen Demokraten Ingolstadt seine neue politische Heimat gefunden hat, „und eigentlich stand es im Jahr 1914 unmittelbar vor der Durchführung. Es ist nicht spinnert.“ Stockmeier meint damit die historischen Wurzeln seines Nahverkehrskonzeptes. Denn 1914 sollte tatsächlich die erste Ingolstädter Trambahnstrecke entstehen. Und wäre auch entstanden, wäre nicht der Erste Weltkrieg dazwischen gekommen.

Vor drei Jahren bereits hat Stockmeier seine Ideen den Freien Wählern präsentiert, denen er damals angehörte. Das Wahlkampfthema indes sei nun mal der Tunnel für eine vierte Donauquerung gewesen. Und so stieß sein Konzept auf überschaubares Interesse, weil die Augen der FW unter der Erde waren und sind.

Dabei ist für ihn eine vierte Donauquerung – ob nun in einem Tunnel oder als Hochstraße über die Donauauen – kaum mehr als ein die Natur belastendes Stückwerk und bestenfalls eine Teillösung. Ja und die Seilbahn, die nachhaltig durch die Köpfe der SPD schwebt, die hat in Stockmeiers Augen wirklich das Attribut „visionär“ verdient. „Das wird nie was.“

Am meisten Verwandtschaft mit seinem Konzept sieht der engagierte Hautarzt mit seinen Innenstadtpraxis noch bei der ÖDP, die sich in Anlehnung an das Karlsruher Modell Gedanken gemacht hat über die Nutzung vorhandener Gleisstrecken der Bahn. Und doch gehen Stockmeiers Gedankenspiele weit darüber hinaus. Zwar nutzt auch seine Idee die alten Bahnstrecken, aber auch die völlig brach liegenden wie zum Beispiel die hinaus zum FOC, zum FC 04 – vorbei am Incampus-Gelände – und die zur Gunvor-Raffinerie. Die indes werden bei Stockmeier verbunden mit innerstädtischen Trambahnstrecken, die die Stadt sowohl in Nord-Süd-Richtung erschließen als auch von Ost nach West. Denn ihm geht es nicht vordergründig darum, den Verkehr nur an der Stadt vorbeizuleiten, sondern die Innenstadt mit zu erschließen und dadurch auch ein Stück weit attraktiver, großstädtischer zu machen.

„Es weiß heute fast niemand mehr, dass die Adenauerbrücke nach dem Krieg deswegen so breit gebaut worden ist, weil da zwei Trambahngleise eingeplant waren“, erzählt Stockmeier. Damals war man in Ingolstadt in Sachen Verkehrsentwicklung offenbar ein wenig weitsichtiger. Und an diese Weitsicht schließt auch Stockmeiers Verkehrskonzept an. Vom Hauptbahnhof aus sieht es eine Trambahnstrecke über die Brücke durch die Innenstadt über die Ettinger Straße bis zur Audi TE vor.

Eine zweite Strecke, die die Staustufe zur Donauquerung nutzt, führt dann von Audi über die Furtwänglerstraße, die Permoserstraße vorbei an der Antoniusschwaige bis zur Schrobenhausener Straße und vielleicht sogar noch ein Stück weiter. Die dritte Linie in Stockmeiers Konzept schließlich führt vom Nordbahnhof über die Rechberstraße, die Becker- und Schrannenstraße Richtung Westen bis zu Großen Zellgasse. Und schließt damit den Ring, der die gesamte Innenstadt – bei ein paar wenigen verkehrstechnischen „Hotspots“ – erschließen würde.

„Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass die Straßenbahn die höchste Akzeptanz aller Nahverkehrsmittel hat“, so Stockmeier, der für sein Konzept Kontakt mit zahleichen Planungsbüros und Verkehrsinstituten geknüpft hat. Um bis zu 80 Prozent ließen sich – das belegen Zahlen von Buslinien, die durch Trambahnen ersetzt worden sind – die Fahrgastzahlen erhöhen. Und die Trambahn, die von drei Kilometer pro Stunde bis zu 80 km/h schnell fahren könne, sei zudem die beste Kombination aus Flächenerschließung und Schnelligkeit. Ganz zu schweigen von der Umweltfreundlichkeit so einer elektrischen Tram. „Heute blasen die Busse in der Innenstadt ihre Abgase in die Lebensmittelgeschäfte“, erzählt Stockmeier.

Ganz billig ist sein detailreich ausgearbeiteter Verkehrsplan selbstredend nicht. „Fünf Millionen Euro pro Kilometer Gleis“, rechnet Stockmeier. Was bei einem Netz an neuen Schienen von rund 30 Kilometern – und ohne die Bahnen selbst – in der Endausbaustufe rund 150 Millionen Euro wären. Aber noch immer preiswerter als ein Tunnel unter der Donau, der mit 180 Millionen Euro veranschlagt worden war und nur ganz marginal die Verkehrsprobleme in Ingolstadt lösen könnte.

Geschweige denn, dass er Ingolstadt einen Hauch von Großstadt verleihen könnte, wie es eine Trabahn vermöchte. Genau das haben auch Freunde und Bekannte zu Markus Stockmeier gesagt, als er nach 20 Jahren von München wegzog nach Ingolstadt. „Was willst Du denn in Ingolstadt, da gibt es noch nicht einmal eine Trambahn?“

Für ihn ließe sich eine Trambahn in die Stadt nicht nur wunderbar integrieren und würde die sogar aufwerten, sondern wäre auf mittlere Frist gerechnet auch spürbar billiger im Betrieb. Auch wenn sie in der Anschaffung teurer seien als ein Bus: „Bei einer Laufzeit von 30 Jahren, die solche Bahnen bringen, sind sie billiger als Busse, die nach zehn Jahren im Eimer sind.“

Visionen wie gesagt mag Stockmeier nicht. Aber den in Ingolstadt nicht immer und unbedingt geliebten Blick über den Tellerrand, den würde er schon gerne wagen. In eine Zukunft, in der man nicht nur an den statistischen Zahlen merkt, dass Ingolstadt eine Großstadt ist.