Stockholm
Tragödie an einer Schule: "Quicksand"

22.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:44 Uhr

Stockholm (DK) Man hört Schüsse, Schreie junger Menschen, dann Stille, nur ein Handy surrt.

Die Kamera fährt langsam und in Großaufnahme über leblose Körper, Schulbänke und leere Patronenhülsen, alles ist blutverschmiert. Dann fährt sie an einem Körper hoch, man sieht eine junge Frau, sie lebt, sitzt da, apathisch und zitternd. So beginnt "Quicksand", die erste Original-Serie von Netflix aus Schweden. Der Zuschauer wird Zeuge eines Massakers an einer Schule, begangen von einem Schüler, der erschossen wird, und eben dieser jungen Frau. Sie heißt Maja, ihr wird Mord, Mordversuch und Beihilfe zum Mord vorgeworfen.

Amokläufe an Schulen gab und gibt es überall auf der Welt. Die schlimmsten Fälle in Deutschland ereigneten sich 2002 in Erfurt und 2009 in Winnenden mit 16 und 15 Opfern, beide Male erschoss sich der Täter danach selbst. "Quicksand" ist reine Fiktion, hier tötet eine der Beteiligten, Maja, den anderen Täter Sebastian. Die Serie basiert nicht auf einem wahren Fall, sie ist eine Adaption des Romans "Im Traum kannst du nicht lügen" von Malin Persson Giolito, der 2018 als bester skandinavischer Kriminalroman mit dem Petrona Award ausgezeichnet wurde.

"Quicksand" setzt direkt nach dem Amoklauf in der Stockholmer Schule ein, rekonstruiert ein unfassbares Verbrechen, versucht zu klären, was im Klassenzimmer geschah, welche Rolle die 18-jährige Schülerin Maja bei der Tat spielte, was die Jugendlichen zu diesem Verbrechen trieb und endet mit dem Urteilsspruch für Maja im Gerichtssaal. Die sechs Folgen à 45 Minuten spielen auf zwei Zeitebenen. Die Schülerin wird in der Zelle, bei den Verhören und beim Prozess gezeigt, dazwischen gibt es Rückblenden, in denen die Beziehung zwischen ihr und Sebastian im Mittelpunkt steht. Die beiden waren ein Paar, stammen aus der schwedischen Oberschicht, sie kommt aus einem wohl behüteten Elternhaus, er lebte bei seinen Vater, der sehr aufbrausend sein konnte, sich kaum um ihn bekümmert hat, ihm aber ein Leben in Saus und Braus, mit Yachturlauben, schnellen Autos und wilden Drogenparties finanzierte.

Camilla Ahlgren, die bereits Co-Autorin bei "Die Brücke - Transit in den Tod" war, ist die Head-Autorin der Serie, die mal Thriller, mal Liebesdrama ist, und die in jeder Sekunde Spannung bietet, weil man als Zuschauer der Tat ebenso fassungslos gegenüber steht wie die Ermittler und wissen will, warum Maja mitgemacht hat und was sie da getan hat. Hanna Ardéhn spielt die Angeklagte ausgezeichnet. Man weiß nie, soll man mitfühlen mit ihr, soll man sie verachten. Und das bleibt so bis zum Gerichtsurteil.

Quicksand: Alle sechs Folgen bei Netflix abrufbar.

Volker Bergmeister