Ingolstadt
Tränen der Genugtuung bei der Witwe des Opfers

Ingolstädter Landgericht verhängt lebenslange Haft für Raubmord in Pfaffenhofener Getränkemarkt

28.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:25 Uhr

 

Ingolstadt/Pfaffenhofen (DK) Der Angeklagte im Mordprozess ist gestern vor dem Ingolstädter Landgericht zur Höchststrafe verurteilt worden. Tränen der Genugtuung bei der Witwe des Opfers, die beim Urteilsspruch von ihrer Anwältin an der Hand gefasst wird.

Schräg gegenüber, auf der Anklagebank, wendet Stefan S. den Beobachtern auf der Zuschauertribüne den Rücken zu. Er zeigt keine deutliche Regung, als der Vorsitzende Richter Jochen Bösl das ausspricht, was das Leben des 39-jährigen Münchners für die nächsten Jahrzehnte bestimmen könnte – auch wenn das Urteil gestern noch nicht rechtskräftig wurde: lebenslange Haft für den Raubmord vom 13. Juli vergangenen Jahres im Getränkemarkt an der Scheyerer Straße in Pfaffenhofen.

Der Verteidiger von Stefan S. hatte auf Totschlag plädiert. Nun will er das Urteil erst einmal mit seinem Mandanten besprechen. Er schloss die Beantragung einer Revision beim Bundesgerichtshof aber ausdrücklich nicht aus.

Die Strafkammer war überzeugt davon, dass der spielsüchtige Angeklagte den 61-jährigen Marktleiter aus Habgier und in der Absicht, seinen Raubüberfall zu vollenden, mit brutalen Messerstichen getötet hat. Der Täter ist nach Auffassung der Richter von dem Moment an, als er an jenem Nachmittag im Getränkemarkt den Entschluss zum Überfall fasste, zielstrebig vorgegangen, um an die erhofften Tageseinnahmen zu kommen. Jochen Bösl: „Das Verhalten des Angeklagten ist stringent – da gibt es keinen Bruch.“

Allerdings ist die Schwurkammer nicht von einem Tatablauf ausgegangen, wie ihn der Staatsanwalt in seinem Plädoyer in der vergangenen Woche skizziert hatte: Nach Auffassung der Richter war Stefan S. nicht von vornherein bewaffnet, sondern er konnte sich ihrer Interpretation nach erst im Laufe des Kampfes mit dem Marktleiter in den Besitz jenes großen Messers bringen, mit dem das Opfer schließlich so brutal erstochen wurde.

Der Urteilsbegründung nach hat der Marktleiter, als er in der Küche des Geschäfts vom Angeklagten mit dem Ausspruch „Überfall!“ konfrontiert wurde, das offenbar an der Spüle liegende Messer gegriffen, um den Täter abzuschrecken. Aus dieser Reaktion habe sich dann ein Kampf um die Waffe entwickelt, bei dem der überfallene Kaufmann aber sehr schnell ins Hintertreffen geraten sei. Stefan S. habe hier seine eindeutige körperliche Überlegenheit genutzt und seinen Gegner mit einer Vielzahl von heftigen Faustschlägen traktiert. Schließlich, als er das Messer unter Kontrolle hatte, habe S. dann mehrfach und letztlich in Tötungsabsicht zugestochen. Richter Bösl: „Es war kein Gerangel unter gleichwertigen Gegnern; das Kampfgeschehen war völlig einseitig.“ Das Ausspielen dieser Überlegenheit, das kraftvolle Einstechen des Täters auf das letztlich offenbar bereits zu Boden gesunkene Opfer – das ist für das Gericht das Kernmerkmal einer bewussten, zielgerichteten Tat, letztlich also eines Mordes. Es sei für Stefan S. am Ende dieses Kampfes nur noch darum gegangen, den Marktleiter als lästiges Hindernis auf dem Weg zur erhofften Beute auszuschalten. Bösl: „Es ging ihm um alles oder nichts.“

Die Blutspuren im Laden und auch sein Verhalten in den Tagen darauf (Einkäufe und Begleichung von Schulden) beweisen nach Auffassung der Richter zudem, dass sich Stefan S., der unter notorischen Geldsorgen litt, nach der Tötung des Geschäftsmannes des Kasseninhalts bemächtigt hat. Deshalb die Verurteilung wegen Mordes und wegen Raubes mit Todesfolge. Allein eine besondere Schwere der Schuld – die eine Freilassung auf Bewährung nach 15 Jahren Haft unmöglich gemacht hätte – sei nicht zu erkennen gewesen, so Richter Bösl. Es habe sich nicht um eine von langer Hand geplante Tat gehandelt, und auch das Vorleben des Angeklagten gebe keinerlei Hinweise auf einschlägiges Verhalten.