Geisenfeld
Toller Schuss vom Ameisenhügel aus

Geisenfelder Fotografenmeisterin Rosi Radler hängt nach 45 Jahren ihre Kamera an den Nagel

29.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:51 Uhr

Mit der Kamera in der Hand und ansteckender Fröhlichkeit - so kennt man Rosi Radler weit über die Grenzen ihrer Heimatstadt hinaus. In ihren 45 Berufsjahren hat die professionelle Fotografin kein einziges der vielen Hundert Brautpaare, die sie ablichten sollte, hängenlassen. - Foto: Helmut Radler

Geisenfeld (GZ) Ausgerechnet jetzt liegt sie flach - In den letzten Tagen ihres Berufslebens. Die Geisenfelder Fotografin Rosi Radler hat ein Virus erwischt. Nach 45 Jahren als Meisterin ihres Fachs hängt sie nun ihre Kamera an den Nagel und schließt ihr Fotoatelier - das letzte in Geisenfeld.

Und dabei hat Rosi Radler, so berichtet ihr Mann Helmut, seit ihrer Geschäftseröffnung in Geisenfeld im Jahr 1990 noch nie einen Termin abgesagt. Notfalls "gedopt" mit Medikamenten hat die professionelle Fotografin keines der vielen Hundert Brautpaare, die sie am schönsten Tag ihres Lebens ablichten sollte, hängen lassen. Manchmal hat Rosi Radler bis zu vier Hochzeiten am Tag fotografiert. In Zahlen heißt das, dass rund 450 000 Negative in 45 Ordnern in ihrem Archiv lagern. Mit der Einführung der digitalen Fotografie sind noch einmal rund eine Million digitale gespeicherte Dateien hinzugekommen.

Gelernt hat Rosi Radler ihr Handwerk von der Pieke auf: Zunächst in der Lehre in Ingolstadt, bevor sie der Beruf zunächst nach München und auch Hamburg führte. In Würzburg hat die Fotografin ihre Meisterprüfung abgelegt, 1990 wagte die gebürtige Geisenfelderin dann im Heimatort den Schritt in die Selbstständigkeit - mit Erfolg: Nicht nur in Schulen und Kindergärten war die quirlige Frau mit den roten Haaren und der grünen Hose, die sie zu den Kinder-Terminen absichtlich immer trug, schnell beliebt: "Ui, da kommt die Pumuckl-Frau", hieß es da, und schon war das Eis zwischen Kindern und Fotografin gebrochen.

"Ihr Ding sind einfach Menschen", sagt auch Ehemann Helmut über seine Partnerin, die es versteht, Menschen mit Scheu vor der Kamera die Angst zu nehmen: "So schee war i ja no nia", heißt es da oft erstaunt, wenn die Fotografierten ihre Aufnahmen von sich sehen. Mit Gespür und handwerklicher Kunst hat es Rosi Radler auch immer wieder verstanden, ihre Kunden im wahrsten Sinne des Wortes ins rechte Licht zu rücken.

Fotografieren will gelernt sein, und so bedauert es Rosi Radler, dass ihr Beruf durch Lockerungen in der Handwerkszunft "immer mehr von Amateuren, die sich Fotografen nennen", unterminiert wird,

Was der 62-Jährigen aus ihren vielen Jahren als Fotografin bleiben wird, sind die vielen lustigen Erinnerungen, die sie noch heute zum Schmunzeln bringen: Da ist der Bräutigam, der - allerdings nur durch ein Missverständnis - mit einem klaren und deutlichen "Nein" auf die Frage des Pfarrers antwortete, ob er denn die Braut heiraten wolle - Rosi Radler hat in diesem Moment die entsetzten Hochzeitsgäste abgelichtet.

Bei einem anderen Einsatz wurde es für die Fotografin selbst ziemlich unangenehm: Um ein prominentes Brautpaar - der Bräutigam war ein bekannter Skifahrer - optimal vor die Linse zu bekommen, hat Rosi Radler kurzerhand einen kleinen Hügel erklommen: Dieser stellte sich dann freilich als Ameisenhügel heraus - mit den entsprechenden juckenden und brennenden Folgen.

Wer so viele Jahre lang Brautpaare fotografiert, der hat auch "Déjà-vu-Erlebnisse." Da kommt einem dann schon mal dieselbe Braut oder derselbe Bräutigam ein zweites Mal vor die Linse - halt dann mit einem neuen Partner. "Zumindest sind die Brautleute aber der Fotografin treu geblieben", meint Rosi Radler verschmitzt, und erzählt eine weitere Anekdote: Kaum im Schaukasten vor dem Geschäft ausgestellt, stürmte eine abgelichtete Braut erbost ins Atelier und verlangte, sie wolle auf keinen Fall "mit diesem Mann" - auf einem Bild ausgestellt werden. "Gemeint war der jüngst Angetraute."

Weniger Probleme machten da die vielen "tierischen" Modelle - von Hund bis Schlange -, die fotografisch verewigt werden wollten. Jüngste Herausforderung für die Profifotografin: ein biometrisches Bild eines Zamperl für den Heimtierausweis.

Werden Rosi Radler alle ihre Kunden - ob nett oder manchmal auch ein bisserl exzentrisch - nicht fehlen? "Nein", sagt die 62-Jährige rigoros und sagt, was sie vorhat: "Ich nehme einen 30 Zentimeter langen Nagel, schlage ihn in die Wand und hänge mein gesamtes Kameraequipment daran auf." Vielleicht findet sich ja doch noch ein Nachfolger, der dieses dann wieder abhängt und im Studio in der Forstamtstraße im Sinne Rosi Radlers weitermacht.