Tödliche Vertrauenskrise

Kommentar

14.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:57 Uhr

Von diesem Schlag hat sich das Organspendesystem offensichtlich noch immer nicht erholt. Deutschland lag bei der Spendenbereitschaft schon immer auf den hinteren Plätzen in Europa.

Doch der Manipulationsskandal in Göttingen, München, Regensburg und Leipzig hat die Zahl der Organspenden noch einmal dramatisch einbrechen lassen.

Mit dem neuen Transplantationsgesetz sollte alles besser werden. Endlich sollte die Zahl der Organspender signifikant erhöht werden, sollten nicht mehr Tausende jedes Jahr sterben, weil sie nicht rechtzeitig ein Spenderorgan erhalten. Nun muss man jedoch ein ehrliches Fazit ziehen: Das Vorhaben ist dramatisch gescheitert. Das vermeintlich lebensrettende System steckt weiter in einer tiefen Krise.

Rund 80 Prozent der Deutschen stehen der Organspende positiv gegenüber, doch ist die Zahl der Spender 2017 mit nur noch 769 erneut auf ein historisches Tief gefallen. Die Bundesrepublik enthält mehr Organe aus anderen Ländern, die an die Eurotransplant-Organisation angeschlossen sind, als sie zur Verfügung stellt. Die Deutschen beanspruchen demnach eine Solidarität, die sie selbst nicht zu geben bereit sind. Nicht nur das Misstrauen und die Unbekümmertheit potenzieller Spender ist ein Problem. Auch in den Kliniken läuft so manches schief. Für sie sind Organspenden unattraktiv. Es fehlen Transplantationsbeauftragte, das Personal ist oft selbst nicht von der Organspende überzeugt, mögliche Spender werden mitunter nicht einmal erkannt.

Es war ein richtiger Ansatz des Gesetzgebers, die Bürger mit Informationsmaterial dazu zu bewegen, sich mit diesem unangenehmen Thema zu befassen - das die meisten gerne verdrängen. Das jedoch reicht offensichtlich nicht aus. Die Politik hatte nicht den Mut, den Deutschen die Widerspruchslösung zuzumuten, nach der jeder als Organspender gilt, solange er nicht widerspricht. Wenn sich die Zahl der Organspenden, die Kardinal Karl Lehmann einmal ein "solidarisches Zeichen christlicher Nächstenliebe" nannte, nicht erhöht, wird man in der Bundesrepublik umdenken müssen. Warum soll hierzulande nicht funktionieren, was in Spanien und Österreich selbstverständlich ist