Tilly kein Vorbild

18.01.2010 | Stand 03.12.2020, 4:20 Uhr

Zum Artikel "Tilly vor den Toren" (DK vom 13. Januar):

Als ich gelesen habe, dass die neue private Realschule in Ingolstadt nach dem Feldherrn der Katholischen Liga im Dreißigjährigen Krieg, dem aus dem belgischen Brabant stammenden Grafen Johann t’Serclaes von Tilly, benannt werden soll, habe ich zunächst wirklich an einen Lesefehler geglaubt.

Ein solcher Namenspatron in einer Zeit, in der beispielsweise der Senat der Universität Greifswald darüber streitet, ob man den Namen "Ernst-Moritz Arndt" ablegen soll, weil er nicht mehr traditionswürdig ist! Arndt, ein Mann, der in der Zeit des Aufbruchs nach der napoleonschen Zeit im deutschen Volk das Gefühl von Einigkeit und Einheit geweckt und wach gehalten hat und der im Frankfurter Parlament von 1848 dafür gesorgt hat, dass "Recht und Freiheit" als hohe humanitäre Werte im deutschen Volk nicht vergessen werden!

Dafür jetzt in Ingolstadt "Ehre" für einen Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges, dessen Name mit dem größten Einzel- massaker des an Untaten nicht armen Krieges, der so genannten "Magdeburger Hochzeit", verbunden ist!

Wovon spreche ich eigentlich. Am 20. Mai 1631 eroberten die kaiserlichen Truppen unter Tilly und Pappenheim das protestantische Magdeburg und gaben die Stadt zur Plünderung frei. Dabei wurden – bis auf wenige tausend Menschen – die Einwohner der Stadt durch die einrückenden Truppen sowie einen Brand getötet. Die Stadt wurde weitgehend zerstört, mindestens 20 000 Menschen kamen ums Leben.

Die Bewohner der Stadt wurden zum größten Teil Opfer der verheerenden Plünderungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen, übrigens Taten, auf denen bereits im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die Todesstrafe stand!

Wie will man heute den Schülern, aber auch den Bürgern Ingolstadts erklären, dass man die neue Realschule nach einem Mann benennen will, dessen einzige Beziehung zu Ingolstadt ist, dass er hier gestorben ist, und der andererseits für Gräueltaten verantwortlich war, die so zahlreich und in ihrer Ausführung entsetzlich waren, dass sich sogar einige Angehörige der kaiserlichen Armee darüber erschraken, und die man heute als Kriegsverbrechen bezeichnen würde?

Dieter Oberbeck

Stammham