Tierschützer zeigen einander heftig die Krallen

21.06.2006 | Stand 03.12.2020, 7:46 Uhr

Ingolstadt (hri) Wer hat sich nicht schon alles versucht an der Führung der Ingolstädter Tierschützer! Am Dienstagabend ging ein weiteres Kapitel in der mitunter turbulenten Geschichte des rund 1200 Köpfe zählenden Vereins zu Ende. Nach nur zehn Monaten wurde der bisherige Vorstand bei der Jahresversammlung im Unsernherrner "Peterwirt" nahezu komplett abgelöst.

Nicht nur die sommerlichen Temperaturen heizten den 177 wahlberechtigten Mitgliedern im "Peterwirt"-Saal kräftig ein. Schon im Vorfeld hatte es seit Monaten mächtig gebrodelt. Die Arbeit der bisherigen Vorsitzenden Gabriele Flörchinger und einiger ihrer Vorstandsmitglieder war auf harsche Kritik gestoßen. Die Grabenkämpfe hatten zuletzt die tägliche Arbeit im Tierheim massiv beeinträchtigt und bestimmten maßgeblich die jüngste Versammlung.

Die Vorwürfe richteten sich vor allem gegen Gabriele Flörchinger, die bisherige Schrift- führerin Andrea Kiefer und deren Stellvertreterin Stephanie Hölk. Das Trio würde "alles an sich reißen", Ideen klauen, verdienten Mitgliedern die Kompetenzen entziehen und sie damit demotivieren, widerspenstigen Ehrenamtlichen Abmahnungen erteil en und sogar den Ausschluss engagierter Mitglieder betrieben, die nicht "auf Linie" seien, hieß es.

Die so Gescholtenen sehen dies naturgemäß etwas anders: Gabriele Flörchinger verwies in ihrem Bericht auf etliche Neuerungen, die sie und ihr Team seit Amtsantritt im vergangenen August, als die frühere Vorsitzende Ulrike Knauf zurückgetreten war, eingeführt hatten – unter anderem die Erfassung aller Vierbeiner per EDV, die Gründung einer Kindergruppe, einen eigenen Internetauftritt, die optimierte Katzenvermittlung oder die Ausdehnung der Gassigehzeiten auf Sonntagnachmittage. "Wir haben einiges auf den Weg gebracht, doch leider gibt es im Verein Personen, die eigene Interessen und die Befriedigung ihrer Eitelkeiten voranstellen", kl agte Flörchinger.

Damit war der Damm gebrochen, von allen Seiten ergoss sich heftige Kritik über die Noch-Vorsitzende. Pfiffe hallten durch den Saal, die Rede war von Diktatur und Willkür, böse Worte machten die Runde. Die Fürsprecher des bisherigen Vorstands waren klar in der Minderheit, hielten aber dennoch dagegen. "Ich möchte mich bei euch bedanken, ihr macht einen Superjob", erklärte eine Frau. Auf der Gegenseite verweigerte ein langjähriges Mitglied die Ehrung durch Flörchinger, andere regten sich über Hundegebell im "feindlichen" Lager des Saals auf.

Vergebens mahnte Noch-Rechnungsprüfer Hans Tomani zur Ruhe und bat darum, sich doch auf die eigentliche Aufgabe des Tierschutzvereins zu besinnen, anstatt sich gegenseitig aufzureiben. Auch Stadtrat Claus Gelhorn, der in seiner Funktion als Jurist die Wahlleitung übernommen hatte, forderte die Mitglieder zur Besonnenheit auf.

Besonders wurde dem bisherigen Vorstand angekreidet, dass er die Entscheidung über etliche der 100 Mitgliedsneuanträge in diesem Jahr bis nach der Hauptversammlung zurückgestellt hatte. "Der Schluss liegt doch nahe, dass diese Leute nur aufgenommen werden wollen, um heute bei der Wahl mitzumischen", verteidigte sich Gabriele Flörchinger, nervös eine Zigarette nach der anderen rauchend. "In 2004 haben wir gerade mal 45 Neuaufnahmen im gesamten Jahr gehabt", vermutete sie eine gezielte Rekrutierung durch das Gegenlager. Sie hatte eigentlich noch einmal als stellvertretende Vorsitzende antret en wollen, überlegte es sich dann aber anders und stellte sich nach der harschen Kritik für gar kein Amt mehr zur Verfügung.

Das Wundenlecken dauerte nicht lange. Nach der Wahl ihres Nachfolgers wirkte Flörchinger doch erleichtert: "Nun fängt eine neue Ära an, viel Glück", gratulier te sie Hans Steimer. Der wünscht sich für den Verein jetzt vor allem eines: "Wir müssen wieder miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Es darf nicht sein, dass wir engagierte Mitglieder im Streit verlieren." Ein Austritt zeichnet sich jedoch bereits ab, denn seine Vorgängerin denkt darüber nach, den Tierschützern den Rücken zu kehren.