Lenting
Tierisches Weihnachtswunder

Wiedersehen mit der Besitzerin: Kater Rocky boxte sich fast acht Monate lang an der A9 durch

20.12.2018 | Stand 23.09.2023, 5:27 Uhr
Uschi Braun
Das Wiedersehen zwischen Kater Rocky und seinen Besitzern Loreen Keßler und Franz Conrad war für alle ein schöner Moment - war Rocky doch fast acht Monate lang verschwunden gewesen, ehe er an der Raststätte Köschinger Forst wieder aufgegriffen wurde. −Foto: Braun

Lenting (DK) Vor fast acht Monaten ist Kater Rocky bei einem Verkehrsunfall auf der A9 bei Denkendorf aus der Transportbox seiner Halterin Loreen Keßler aus Dresden entwischt. Die hatte bereits die Hoffnung aufgegeben, das Tier jemals wieder zu sehen. Doch am Mittwochabend gab es dann doch noch ein "Weihnachtswunder", wie alle Beteiligten sagen.

So ganz kann die Dresdnerin Loreen Keßler ihr Glück noch gar nicht fassen. Erst in der späten Nacht hat sie erfahren, dass ihr vor fast acht Monaten entlaufener rot-weißer Kater Rocky in Bayern nicht nur gesichtet, sondern sogar schon eingefangen wurde. Und jetzt, einen halben Tag später, steht die Sächsin zusammen mit ihrem Freund nach vier Stunden Fahrt am Mittwochabend in Lenting im Dachgeschoss von Tierärztin Angelika de Bruyne und bestätigt, obwohl es kaum mehr Zweifel gegeben hatte: "Ja, er ist es!".

Rocky schmiegt sich mit einem leisen Schnurren vorsichtig in die Arme seiner Besitzerin und weiß wahrscheinlich auch nicht genau, wie ihm geschieht. War er doch bis gestern Abend draußen noch einsamer Überlebenskünstler, vor allem nachts, an der belebten Raststätte Köschinger Forst an der A9. Dass Rocky mit seinen Besitzern wiedervereinigt werden konnte, ist eine außergewöhnliche Geschichte, die auch die Tierärztin und die Tierschützer vom Verein Tri und der Facebookseite "Tiere vermisst in Ingolstadt und Region 10" erstaunt.

Schon der Beginn der Odyssee war filmreif: Anfang Mai dieses Jahres waren Loreen Keßler und ihr Partner Franz Conrad von Taufkirchen aus mit ihrem Kater auf dem Weg in die Heimat nach Sachsen, als sie auf der A9 zwischen Stammham und Denkendorf in einen Auffahrunfall mit mehreren Autos verwickelt waren. "Uns ist nicht viel passiert", erläutert die 22-Jährige, "aber als wir unseren Kater in seiner Transportbox von den Feuerwehrleuten holen wollten, deuteten sie nur betreten ins Gebüsch." Rockys Transportbox muss durch den Unfall beschädigt gewesen sein, erklärt sie. Der Kater lief weg und ließ sich dann nicht mehr einfangen. Bis er gar nicht mehr zu sehen war.

Über Facebook wurde Keßler auf die Tiersuchgruppen aufmerksam und berichtete dort verzweifelt von ihrer Misere. Wie in solchen Fällen inzwischen üblich, setzte sich dann eine Kette von Hilfsangeboten mehrerer Freiwilliger in Gang. Auf der Facebookseite "Tiere vermisst in Ingolstadt und Region 10" liefen Hinweise auf mögliche Sichtungen ein. Die Lehrerin Angelika Meyer-Kanthak, die gleichzeitig Vorsitzende des Vereins Tierfreunde der Region Ingolstadt (Tri) ist, kontaktierte die K9-Suchhundestaffel Ingolstadt, machte Futterstellen und stellte Wildtierkameras auf. Hunde führten den Suchtrupp durch Dörndorf, wo Rocky auch gesichtet wurde. Doch nach einiger Zeit verlor sich die Spur, und im Sommer schwand die Chance zunehmend, das Tier wiederzufinden - vor allem weil es nicht gekennzeichnet ist. "Chippen ist das A und O", sagt Meyer-Kanthak, "auch bei Wohnungskatzen, denn wenn der Ernstfall eingetreten ist, ist es zu spät."

Dann die überraschende Wende: Als ein Mitglied der Facebookgruppe Mitte Dezember von einer scheuen Katze berichtete, die sie am Rasthof Köschinger Forst gesehen hat, war es zunächst nur eine ganz vage Hoffnung, dass es sich dabei um den vierjährigen Rocky handeln könnte. Schließlich waren siebeneinhalb Monate vergangen, streunende, hilfsbedürftige Katzen gibt es viele, und diese war auch noch auf der Gegenrichtung unterwegs. Meyer-Kanthak rückte wieder aus, befragte ratlose Mitarbeiter des Rasthofs, die ihr nicht viel über das Tier hinten bei den Abfällen sagen konnten.

Loreen Keßler, die sich inzwischen nahezu damit abgefunden hatte, Rocky nie mehr wiederzusehen, und sich auch inzwischen eine neue Katze zugelegt hat, erfuhr in Dresden über die Facebookgruppe vom neuen Hoffnungsschimmer. Nur wenige Nächte später dann die Überraschung. "Dass es sich hier um Rocky handeln muss, habe ich erst an der charakteristischen Fellzeichnung um die Mundpartie gesehen, als er mitten in der Nacht in der Lebendfalle saß", erzählt Meyer-Kanthak. Zu den schönsten Aufgaben von Tierschützern gehört es, Besitzern eine gute Nachricht zu überbringen, und so dauerte es nur Minuten, bis Loreen Keßler und Tausende begeisterte Facebooknutzer vom Fund des lange vermissten Katers erfuhren. "

Dick ist er geworden", wundert sich Keßler, als sie ihn in eine - neue - Transportbox setzt, um gleich wieder vier Stunden nach Hause zu fahren. Wie er das geschafft hat, kann er leider nicht erzählen, aber dass es möglich wurde, ihn zu finden, ist vielen aufmerksamen Helfern zu verdanken. Irgendwie ist es auch ein kleines Weihnachtswunder, sind sich alle einig.

Uschi Braun