Neuburg
Tiere geraten in Stress

Jäger mahnen Autofahrer zur Vorsicht In der Erntezeit häufen sich die Wildunfälle

14.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:19 Uhr

Einige hundert Quadratmeter "Wohnraum" frisst der Mähdrescher von Landwirt Peter Lösch aus Ortlfing bei jeder Spur. - Foto: Schmitt

Neuburg (DK) Die Jäger mahnen zur Vorsicht auf den Straßen: Die Wildtiere sind besonders aktiv. Autofahrer sollten bremsbereit sein. Warum die Tiere im Herbst in Stress geraten, erklären die heimischen Jagdexperten.

Zerstörung des Wohn- und Lebensraumes, Vertreibung, unter Beschuss genommen werden, all das liest sich wie die Nachricht aus einem der zahlreichen Krisen- und Kriegsgebiete dieser Welt. Ist es aber nicht - es passiert jetzt und hier, mitten in Deutschland und um uns herum. Betroffen sind aber glücklicherweise keine menschlichen Lebewesen, sondern "nur" unsere frei lebenden Wildtiere.

Während und nach der Ernte ändert sich der Lebensraum für Schwarzwild, Reh, Hase und Fasan abrupt und drastisch. Wo die Tiere zuvor noch Nahrung und Deckung fanden, stehen innerhalb weniger Stunden nur noch Stoppeln auf den Feldern. Der in den vergangenen Wochen und Monaten gut gefüllte Tisch ist abgeräumt, die komfortable Wohnung zerstört. Vorbei ist es mit freier Kost und Logis. Für die Wildtiere stellt diese alljährliche Veränderung ihres Lebensraums eine Notsituation dar, sie sind in einem sogenannten Ernteschock.

Vor allem die weiten Maisfelder, die Dank der Biogasanlagen immer mehr werden, waren ideale Rückzugsgebiete. Die "gebratenen Tauben" hingen gerade den Schwarzkitteln in Form von Maiskolben direkt vorm Maul, dem Gebrech, wie es in der Jägersprache heißt. Und nicht genug, dass jetzt Mähdrescher mit jeder Spur hunderte Quadratmeter Wohnraum zerstören, nein, wenn man gerade seine Wohnung zwangsweise in Richtung Wald verlassen will, stehen da auch noch Jäger und beschießen einen. Die sind natürlich auch in Zugzwang, sollen sie doch die Wildschäden in ihren Revieren so gering wie möglich halten.

"Allerdings haben wir mit den Schweinen in den vergangenen Jahren schon größere Probleme gehabt", so Jäger Anton Reisch, der aber nur für die Burgheimer Reviere sprechen kann. Hans Eisenschenk, ehemaliger Vorsitzender des Jagdschutzvereins Neuburg, kann sich vorstellen, dass sich durch den großflächigen Maisanbau die Schadflächen nur besser verteilen. Das kann auch Daniel Lösch aus Ortlfing, der seinen riesigen Mähdrescher gekonnt über die Äcker steuert, bestätigen. "Wildschweine habe ich heute noch keine gesehen", "aber aus dem letzten Feld sind zwei Rehe vor mir geflüchtet".

Also schon eine brenzlige Situation, aber nicht nur für das Tier sondern auch für den Menschen. Die Wildtiere begeben sich, verstört und aufgeschreckt, auf die Suche nach neuen Vorratskammern und sicheren Verstecken. Ihr Weg dorthin führt sie nicht selten über ein sehr dichtes Straßennetz. Von Hunger getrieben, überqueren sie häufiger als gewöhnlich auch vielbefahrene Straßen, und das bevorzugt in der Dämmerung. Daher gilt für Autofahrer, erhöhte Vorsicht und Bremsbereitschaft. Autofahrer müssen besonders im Herbst damit rechnen, dass ein Tier unerwartet auf die Fahrbahn läuft. Fallendes Herbstlaub, Nässe, Nebel und Verschmutzungen der Straßen durch Erntefahrzeuge stellen zudem eine Gefahrenquelle für Autofahrer dar.

Daher besonders in Waldgebieten und in der Nähe von Feldern, Fuß vom Gas, Geschwindigkeit anpassen und genügend Abstand zum Vordermann halten. Zudem sollte man die Fahrbahnränder nicht aus den Augen lassen. Lässt sich eine Kollision nicht mehr vermeiden, ist ein kontrollierter Aufprall besser als unkontrolliertes Ausweichen. Daher sollte man versuchen, das Lenkrad möglichst gerade zu halten und kontrolliert zu bremsen.

Sollte das Wild doch zu Schaden kommen, so darf es keinesfalls mitgenommen werden, dass würde den Tatbestand der Wilderei erfüllen. Auch wenn das Wild nach der Kollision scheinbar unversehrt weiter läuft, ist es meist schwer verletzt und geht jämmerlich zu Grunde. Daher muss ein Wildunfall nach dem Bayerischen Jagdgesetz in jedem Fall unverzüglich der Polizei gemeldet werden. Nur so kann der zuständige Revierinhaber verständigt und das leidende Tier von dem zuständigen Jäger erlöst werden.

"All dem könnte aber auch vorgebeugt werden", so Eisenschenk. "Mit dem großflächigen Anlegen von strukturierten Hecken könnte die Fluchtdistanz erheblich verringert werden, die Tiere hätten schneller wieder Schutz, Unterstand und Nahrung. Damit wäre nicht nur dem Reh- und Schwarzwild geholfen, sonder auch dem ebenfalls bedrohten Niederwild."

Am schlimmsten aber trifft es den Feldhamster. Durch die bei der Ernte entstehenden tiefen Ackerfurchen werden sein Bau, und damit sein Nachwuchs zerstört. "Der Feldhamster ist leider vom Aussterben bedroht", so Eisenschenk.