Tiefer Einblick in beide Kulturen

10.07.2008 | Stand 03.12.2020, 5:46 Uhr

Glückwünsche vom OB: Oberbürgermeister Alfred Lehmann gratulierte kürzlich der ersten Ingolstädter Juristin aus türkischer Familie, Öznur Yilmaz, zum bestandenen Staatsexamen in Jura (links). Die junge Rechtsanwältin Derya Basal, die seit Anfang 2006 in Ingolstadt tätig ist, ist seit vergangenem November sogar Chefin in der eigenen Kanzlei (rechts). - Fotos: Stadik

Ingolstadt (DK) Missverständnisse können vor Gericht fatale Folgen haben. Doch bislang waren etwa Rechtsanwältinnen, die Deutsch und Türkisch sprechen, eine Seltenheit. Das ändert sich langsam: In Ingolstadt sind inzwischen mehrere junge Juristinnen tätig, die Einblick in beide Kulturen haben.

Auf dem aufgeräumten Schreibtisch steht eine Justitia-Figur gleich neben dem Computer. Gesetzestexte und juristische Kommentare drängen sich in einem die Wand füllenden Bücherregal. Die junge Rechtsanwältin Derya Basal hat es geschafft: Seit vergangenem November hat die Juristin, die seit 2006 in Ingolstadt tätig ist, eine eigene Kanzlei. "Ich arbeite unglaublich gerne als Rechtsanwältin und finde den Beruf sehr spannend", erzählt die gebürtige Dortmunderin, die zu ihrem Ehemann nach Ingolstadt gezogen ist.

Die Rechtsanwältin arbeitet mit mehreren Schwerpunkten, von Familien- bis Strafrecht, hat den Fachanwaltslehrgang in Arbeitsrecht abgeschlossen und absolviert derzeit den Lehrgang für Familienrecht. "Ich habe als Anwältin eine Sieben-Tage-Woche", sagt die Juristin. "Das Leben ist eben kein Picknick." Es gibt schließlich auch viele schöne Erlebnisse: "Ich werde sehr oft mit einer kleinen Aufmerksamkeit oder einer netten Geste beschenkt", berichtet die Rechtsanwältin, die schon als kleines Kind für den Beruf schwärmte. Denn Jura spielt in der Familie Basal eine entscheidende Rolle: Die Mutter arbeitete als Türkischdolmetscherin bei Gericht, Deryas jüngere Schwester absolviert derzeit ein juristisches Referendariat.

"Ich gehöre beiden Kulturen an, der deutschen und der türkischen", so beschreibt Derya Basal selbstbewusst ihren Migrationshintergrund, den sie als "immensen Vorteil" erlebt. "Viele beneiden mich darum, zwei Sprachen akzentfrei zu sprechen", sagt die Rechtsanwältin, die auch als Muslimin in der Gemeinde aktiv ist und dort großes Vertrauen genießt. Etwa 80 Prozent der Klienten von Derya Basal sind Ausländer, darunter auch Griechen, Albaner oder Iraker, aber eben auch viele Deutsche. "Bei den türkischen Klienten verstehe ich nicht nur die Sprache, sondern kann mich auch in ihre Denkweise hinein versetzen" erläutert die Juristin, stellt aber zugleich klar: "Ich lasse bei meiner Tätigkeit niemals außer Acht, dass ich ein Organ der Rechtspflege bin."

Als "großes Problem" bezeichnet Derya Basal die mangelnden Sprachkenntnisse bei manchen Ausländern. "Ich warne davor, offizielle Post in gelben Umschlägen einfach wegzuschmeißen, weil der Inhalt schlicht nicht verstanden wird", unterstreicht die Juristin, die inzwischen nicht mehr die einzige, zweisprachige Rechtsanwältin in Ingolstadt ist: Öznur Yilmaz, die Tochter des bekannten Ingolstädter Gastronomen Kudret Yilmaz, legte kürzlich ihr Zweites Staatsexamen ab. "Ich kann in beide Welten hineinblicken", betont die gebürtige Schanzerin, die sich dennoch nicht auf eine Klientel festlegen lassen will. Ganz im Gegenteil: In der Kanzlei Hagn & Partner, wo sie demnächst ihre erste Anwaltsstelle antritt, soll ihr Arbeitsgebiet möglichst umfassend sein.

Weil Öznur Yilmaz die erste Ingolstädter Juristin aus türkischer Familie ist, gratulierte ihr jüngst auch Ingolstadts Oberbürgermeister Alfred Lehmann bei einem Empfang im Alten Rathaus zum bestandenen Examen. "Mir ist oft von Jura abgeraten worden, aber meine Eltern standen immer hinter mir", so beschreibt die leidenschaftliche Ingolstädterin, wie sie das anspruchsvolle Studium in Bayreuth meisterte. Unabhängig von Kultur und Herkunft will sich die 28-Jährige nun für ihre Schanzer Mandanten einsetzen. "Ich kann mich sehr gut in Menschen hineinversetzen", beschreibt die junge Frau eine Gabe, die vor Gericht sicher nicht schaden kann.

Auch im Steuerrecht steht die Zweisprachigkeit nicht im Vordergrund: Für die Fachanwältin Kaya Zekiye etwa, die seit Jahren in einer Ingolstädter Kanzlei arbeitet und es dabei hauptsächlich mit dem deutschen Fiskus zu tun hat, spielt die Herkunft "keinerlei Rolle". Völlig unabhängig von Nationalität und Herkunft sind denn auch viele der Ratschläge, die Derya Basal ihren Mandanten mit auf den Weg gibt. Denn nicht immer steht, etwa wenn es um Kinder geht, das Gesetz im Vordergrund, sondern allein das Wohl der Betroffenen.