Ingolstadt
Thema im Kulturausschuss: Frankenstein ausschlachten

Grusel-Klassiker soll in Ingolstadt erlebbar werden - Inszenierungs- und Vermarktungskonzept gesucht

18.11.2021 | Stand 23.09.2023, 21:53 Uhr
Weltliteratur und Wissenschaft: Der neue Frankenstein-Raum im Deutschen Medizinhistorischen Museum in der Alten Anatomie. Links ein Porträt der Autorin Mary Shelley. −Foto: Rössle/Stadt Ingolstadt

Ingolstadt - Mary Shelley weilte nie in Ingolstadt.

An der Hohen Schule der Stadt ließ sie einen Teil ihres Romans "Frankenstein" spielen. Doch als der 1818 erschien, war die Universität schon seit 18 Jahren perdu: Leider nach Landshut verzogen. Lässt sich der Grusel-Klassiker dennoch für Ingolstadt ausschlachten? Ja, sagt der Kulturausschuss einstimmig.

Im Buch der 1797 geborenen Londonerin besitzen die Hohe Schule und die Anatomie in der nicht näher beschriebenen Stadt im (aus damaliger britischer Sicht) rückständigen, unheimlichen, magischen Bayern hohe erzählerische Bedeutung, denn Victor Frankenstein, Akademiker auf Abwegen, studiert in Ingolstadt Medizin und näht aus Leichen- und Tierkadaverteilen einen 2,40 Meter großen Menschen zusammen. Den erweckt er mit dem "spark of life", wie es im Original heißt, dem Funken des Lebens; von Elektrizität, die gerne herausgelesen wird, schrieb Shelley nichts.

Mit diesem bizarren Schöpfungsakt in Ingolstadt beginnt ein gespenstisches Lehrstück über Wissenschaft, Verantwortung und Hybris. Wenig überraschend nimmt es kein gutes Ende. Denn da sind beide tot.

Der Wahl-Ingolstädter und seine monstermäßige Bastelarbeit bilden eines der schrägsten Duos der Weltliteratur. Die IFG möchte, wie berichtet, aus dem berühmten Stoff mehr Kapital schlagen, mit einem touristischen Konzept zusätzliche Besucher nach Ingolstadt bringen und damit die Bekanntheit der Stadt steigern. Am Donnerstag beschloss der Kulturausschuss vorberatend, ein Inszenierungs- und Vermarktungskonzept auszuschreiben.

Georg Rosenfeld, IFG-Vorstand und Wirtschaftsreferent, wies auf die "große Spannweite des Themas Frankenstein" hin. Es habe "eine wissenschaftlich-intellektuelle Dimension und eine touristische Ausprägung". Um beides zu verbinden, brauche man "eine Gesamtstory" - das sei der richtige Ansatz.

Aber wo liegt der richtige Ort, um das alte Schauermärchen effektvoll erlebbar zu machen? Die Verwaltung schlägt die Ziegelbastei am Unteren Graben vor. Sie gehörte zur Festung des 16. Jahrhunderts. Im 19. Jahrhundert schenkte die Wunderl-Brauerei ihr Bier in dem idyllischen Hof aus. Deshalb spricht man auch von der Wunderl-Kasematte. Ein Teil ist saniert und dient als Museumsdepot. Der Westflügel wurde 1945 beschädigt und bröckelt seither wildromantisch vor sich hin. Mit einem Frankenstein-Erlebnisort habe man endlich Verwendung für das alte Gemäuer, sagte Stadtbaurätin Renate Preßlein-Lehle. Man wolle aber weder ein Musicaltheater bauen noch ein Museum. Wie man die Story dort dem Publikum näher bringt, muss der Ideenwettbewerb ergeben. Sie wisse, dass Shelleys Frankenstein mit der Ingolstädter Festung nichts zu tun hat. Aber so streng historisch würden das die Besucher dann schon nicht sehen.

Manfred Schuhmann (SPD) sieht es streng literarisch: "Die Wunderl-Kasematte ist doch nur eine Notlösung und damit unglaubwürdig, tut mir leid. " Es seien genau drei Orte geeignet: Die Hohe Schule, die Alte Anatomie und deren Garten, schließlich habe Frankenstein in Ingolstadt Medizin studiert. "Wir brauchen aber mal eine Lösung für die Wunderl-Kasematte", erwiderte Bürgermeisterin Dorothea Deneke-Stoll (CSU), denn das Gebäude sei in einem schlechten Zustand.

Barbara Leininger (Grüne) regt einen "erweiterten Ansatz" an: Ingolstadt als Stadt des Wissens. Frankenstein im Kontext der Universitätsgeschichte. Da ließe sich sogar ein Bogen zum realen Vorbild für Goethes Doktor Faust schlagen. Der soll auch in Ingolstadt sein Unwesen getrieben haben.

DK

Christian Silvester