Pfaffenhofen
Theaterspielkreis zeigt moderne Fassung von "Ein Münchner im Himmel"

Angesichts der Krise über den Wolken verlieren sogar die Engel den Glauben

22.08.2021 | Stand 23.09.2023, 20:27 Uhr
Über den Wolken haben die Engel Asram (Reinhard Haiplik, von links) und Fanny (Monika Fischer) ihre liebe Mühe mit dem störrischen Postboten Alois Hingerl, der seine neue Rolle als Engel Aloisius (Günther Liebhardt) einfach nicht akzeptieren will - und am Ende zurück auf die Erde darf. −Foto: Ermert

Pfaffenhofen - Rieselnde Wolken, mit Gott und der Welt hadernde Engel, eine von den Launen der ankommenden Toten zunehmend überforderte "Himmelsführung" - und dann auch noch dieser grantige Alois Hingerl. Der Theaterspielkreis Pfaffenhofen hat bei seiner Freilichtaufführung von "Ein Münchner im Himmel" eine gelungene Premiere im Bürgerpark abgeliefert. Die leicht modernisierte Fassung des Klassikers bringt die Standardnachricht des Stücks ebenso gut rüber wie neue Aspekte, die den geneigten Zuschauer durchaus zum Nachdenken bringen.

Der Himmel über Pfaffenhofen ist klar, als der Münchner Postbote Alois Hingerl (Günther Liebhardt) nach einer Zecherei vor dem Hofbräuhaus mit einem tödlichen Herzinfarkt zusammenbricht. Hingerl wird vom Todesengel abgeholt. Seine Zeit im "irdischen Jammertal", wie das pralle Leben auf der Erde von den Himmelsbewohnern nach wie vor konsequent bezeichnet wird, geht zu Ende. Über seine Eintrittskarte in den Himmel ist der angehende Engel Aloisius allerdings wenig entzückt. Er will zurück: zum Bier, zu den Weißwürsten, zu seiner Lieblingsbedienung Zenzi und den irdischen Frauen, denen der 49-Jährige weit mehr zugetan ist als dem langweiligen Frohlocken über den Wolken.

Hingerls "Gefährten" auf dem Weg ins Paradies sind allerdings kaum weniger anstrengend für die himmlischen Anführer Petrus (Helmut Muthig), Erzengel Michael (Michael Amesberger) und Harfenlehrer Asram (Reinhard Haiplik). Da wäre einmal die ordentlich zugedröhnte Gisela (Marion Simon), die den Himmel nach einer Überdosis anfangs ganz lustig findet - bis sie aus ihrem Drogenrausch erwacht. Etwas mehr kann Franz-Josef Weininger (Theo Abenstein) den Flügeln, der Harfe und dem Heiligenschein abgewinnen. Den dementen Senior schreckt eher die Aussicht, dass er schon bald mit seiner vermaledeiten Schwägerin eine Wolke teilen muss. Und als auch noch "Querdenker-Engel" Elias (Harald Langer), standesgemäß ganz in Grau, also eigentlich nur dem Karfreitags-Büßergewand der Engel gekleidet, seine kruden Ansichten verbreitet, scheint die Eintracht im Himmel schon ziemlich für die Katz' zu sein. Elias vernimmt das Kriseln im Paradies nämlich noch sehr viel deutlicher als die übrigen Engel. Er vermutet Löcher in den Wolken, tote Engel auf der Erde und ein Paradies, das angesichts einer fast unaufhörlichen Krachens, Rieselns und Knackens dem Untergang geweiht ist.

Elias und dessen Gerede können Petrus und der Erzengel zwar weitgehend ausblenden. Vollkommen sicher wirken aber auch sie nicht mehr. Fast schon sehnsüchtig warten sie auf eine Erscheinung des Herrn. Aber Gott lässt sich auch für sie nicht blicken. Das Gerücht vom Fegefeuer halten sie zwar aufrecht. Als sie aber erkennen, welche Gestalten mittlerweile einfach so in den Himmel dürfen, verlieren sogar die hohen Engel langsam aber sicher den Glauben. Die Krone setzt dem abtrünnigen Treiben freilich Engel Aloisius auf. Über den Anblick seiner ehemaligen Jugendliebe Fanny (Monika Fischer) freut er sich anfangs. Als er aber feststellt, dass diese immer noch so brav und gottesfürchtig wie anno dazumal ist, verrennen sich die Zwei schnell in ihren Streitereien von früher. Das berühmte "Ze fix Halleluja", das Aloisius von seiner Wolke schmettert, gibt Fanny den Rest. Ihn umzustimmen, vermag sie nicht. Umso bitterer kommt ihr Petrus' Entscheidung vor, Aloisius vom Halleluja-Singen zu befreien und ihn als himmlischen Postboten einzusetzen - um der Bayerischen Staatsregierung göttliche Eingebungen zu überbringen.

Da nimmt die Geschichte ihren bekannten Lauf. Aloisius zieht das Hofbräuhaus der Staatskanzlei vor, kehrt Fanny und dem Himmel endgültig den Rücken - und wacht dort wieder auf, wo er sich daheim fühlt: im irdischen Jammertal. Die Engerl freut's. Aber fraglich bleibt es schon, ob das Jenseits tatsächlich so erstrebenswert ist, wie es sich manche fromme Seele wünscht. Und so kommt es eben, dass die Staatsregierung bis heute auf göttliche Eingebungen wartet - und die Zweifler am himmlischen System immer mehr Rückenwind erhalten. Nur eines ist versöhnlich: Tote, aus den rieselnden Wolken gefallene Engel, die hat Alois Hingerl auch in München nicht entdeckt.

PK

Anna Ermertund