Theaterbetrieb funktioniert auch über größere Distanzen

12.05.2021 | Stand 15.05.2021, 3:33 Uhr

Zur Diskussion um Standort und Bau der Ingolstädter Kammerspiele, die Grundlagen für die Entscheidung und mögliche Alternativen:

Es schien so, als sei die Diskussion um den Standort der Kammerspiele zugunsten des Areals westlich des Theaters fast beendet, nachdem auch Oberbürgermeister Christian Scharpf mehrmals seine Präferenz zugunsten dieses Platzes zu erkennen gegeben hat. Vermutlich wäre an diese langwierige Geschichte längst ein Erledigt-Häkchen gemacht, wenn nicht gleich zu Beginn des Projekts ein Postulat im Sinne einer conditio sine qua non formuliert worden wäre: Kammerspiele ja, aber nur in enger baulicher Verbindung zum Theater. Begründet wurde diese Forderung mit der gemeinsamen Nutzung der Werkstätten, Garderoben und Requisiten durch Theater und zukünftige Kammerspiele.

Nach diesen Kriterien den Standort eines neuen Theaterbaus zu definieren, halte ich geradezu für abwegig, um es freundlich zu formulieren. Diejenigen, die hinter dieser albernen Forderung standen, hätte man einmal auf die Theaterlandschaften in Berlin und München verweisen sollen, wo Staatstheater oft in großer räumlicher Distanz zueinander stehen. Trotzdem funktionieren meines Wissens überall dort die Organisation und Zusammenarbeit nachgeordneter Bereiche.

Der Stadtrat der letzten Legislaturperiode hat sich dann bereitwillig dem Postulat angeschlossen und damals den Standort östlich vom bestehenden Theater ausgesucht. Erst als aus der Bürgerschaft Proteste wegen der Zerstörung der Sichtachse zum Schloss immer lauter wurden, entschloss man sich, nach einem anderen Standort zu suchen. Es wäre sicher ideal und schön gewesen, die Kammerspiele in den Klenzepark zu bauen. Aber es galt noch immer das Postulat der engen räumlichen Nähe. So entschloss sich der Ingolstädter Stadtrat dann, den westlich vom Theater gelegenen schönen kleinen Park zu schleifen, um dort zu bauen. Dass man dabei Teile der bestehenden Theatertiefgarage würde zerstören müssen, interessierte die wenigsten, ebenso wie die Tatsache, dass der Untergrund dort für ein derartiges Bauwerk problematisch sein würde.

Erst nach der Blamage mit dem Museum für Konkrete Kunst und Design (einem Museum übrigens, für welches sich in Ingolstadt höchstens einige Tausend Mitbürger zu erwärmen vermögen) setzte ein Umdenken ein, welches offensichtlich Oberbürgermeister Christian Scharpf in seiner bisherigen Haltung schwankend macht.

Um es klar zu sagen, ich bin nicht gegen den Bau der Kammerspiele, zumal das Kleine Haus eine Zumutung und Scheußlichkeit ist. Aber angesichts der nach Corona zu erwartenden engen Finanzspielräume und der Erfahrungen mit dem auf dem Gießereigelände im Bau befindlichen Museum für Konkrete Kunst und Design auf unsicherem Grund sollte die Stadt dringend überlegen, ob es nicht angebracht ist, einem der vielen Standortvorschläge der letzten Zeit ein größeres Interesse entgegenzubringen. Im Dunstkreis des Schlosses werden gerade mehrere Kästen emporgezogen, sodass es empfehlenswert ist, eine Fläche innerhalb des inneren Rings und in Nähe zum Zentrum mit einem schönen filigranen Bauwerk zu schmücken, ohne dass wertvoller Baumbestand in großem Ausmaß geopfert werden muss.

Liebe Stadträte, seid kreativ, strengt euch an und lasst euch etwas einfallen, was den Menschen in dieser Stadt Freude macht, denn schließlich werden für das Museum für Konkrete Kunst und Design und die Kammerspiele gewaltige Steuergelder benötigt, die möglicherweise besser für Wohnraum, soziale Zwecke, Digitalisierung und Schulen angelegt wären.
Wolfgang Prestel
Ingolstadt