Schrobenhausen
Theater, das unter die Haut geht

19.07.2011 | Stand 03.12.2020, 2:36 Uhr

Alex (2.v.r.), sehr anrührend gespielt von Lea Hellmich, hat keine Chance gegen Lissa (dahinter stehend), überzeugend dargestellt von Jasmin Holzapfel. Und der Rest der Klasse? Schaut zu - Foto: sbz

Schrobenhausen (SZ) „Lebst du schon oder mobbst du noch“ – So der vielsagende Titel des Stücks, das die Theatergruppe Incognito der Michael-Sommer-Mittelschule unter der Leitung der Lehrerin Dagmar Riedinger auf die Bühne brachte. Die Reaktionen: Pure Begeisterung!

Dagmar Riedinger (kleines Foto) macht mittlerweile seit zwölf Jahren Theaterarbeit an der Schrobenhausener Mittelschule, viele Stücke sind in dieser Zeit unter ihrer Regie aufgeführt worden: Krimis, Komödien oder auch klassische Bühnenstücke. Nun wagte die erfahrene Regisseurin mit ihrer Truppe einen neuen, großen Schritt: Zum ersten Mal wurde ein Stück aus eigener Feder aufgeführt. Eine Premiere im doppelten Sinne also, welche die Zuschauer glatt von den Sitzen holte.
 

Rund 70 Gäste hatten sich in der Aula der ehemaligen Grundschule eingefunden, um der Premiere beiwohnen zu können und sie sahen ein Stück, das eindringlich und überzeugend die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt, das nichts mehr möchte als anerkannt und geschätzt zu werden. Neu in der Klasse versucht Alex alles, um die Freundschaft der anderen Mädchen zu gewinnen. Diese stehen jedoch unter dem Einfluss der starken Lissa, die – von ihren eigenen Enttäuschungen und Problemen getrieben – alles daran setzt, Alex zu unterdrücken und auszugrenzen. Statt Mitgefühl, Freundschaft und Anerkennung erntet Alex mit ihren Bemühungen nur Kälte, Ablehnung und Spott. Die Situation spitzt sich immer mehr zu: Was eben noch (relativ) harmlos erschien, steigert sich zur seelischen Grausamkeit, zur körperlichen Gewalt und zur Ohnmacht.

Authentisch

Getragen wird das Stück von den beiden Hauptdarstellerinnen – Lea Hellmich, die überzeugend und sehr anrührend die Alex spielt und Jasmin Holzapfel, deren Verkörperung der Lissa mit ihrem zynisch-kalten Gehabe fast schon erschreckend authentisch wirkt. Aber auch die zahlreichen Nebenfiguren des Stückes fallen durchweg positiv auf.

Dazu kommt noch das Stück selber, bei dem Riedinger tief in die Trickkiste des szenischen Spieles gegriffen hat: Wenn die Regisseurin ihre Truppe beispielsweise während der Schlüsselszenen in Zeitlupe agieren lässt oder die Figur des Gewissens schafft, die zwischen den Darstellern, die mitten in ihrem Spiel eingefroren wurden, herumgeistert und versucht, diese zum Umdenken zu bewegen.

Das Gewissen – sehr souverän dargestellt von Annika Wittkopf – tritt schließlich direkt vor die Zuschauer, um diese mit Fakten und Definitionen zum Thema Mobbing aufzuklären. Unterstützt wird es dabei von Anja Oertl, die scheinbar mühelos eine leidenschaftliche und doch auch abgezockte Journalistin mimt, welche die Zuschauer zu ihren Erfahrungen und ihren Kenntnissen in punkto Mobbing interviewt. Zu den Besonderheiten gehört auch die Mauer, die während des Stückes immer weiter in die Höhe wächst. Eine Mauer, zusammengesetzt aus weißen Kartons, die Aufschriften wie Ausgrenzung, Ausbeutung, Wut, Ignoranz, seelische Grausamkeit tragen und die am Ende des Stückes mit viel Enthusiasmus von den Darstellern eingerissen wird.

Kunstgriffe

Oder der Kunstgriff, die einzelnen Figuren aus dem Stück heraus direkt zu den Zuschauern sprechen zu lassen, wie Zafer Ürün, der als Lehrer Fuchs den Zuschauern erklärt, warum er machtlos ist und dass er schließlich seine eigenen Probleme habe und sich nicht um alles kümmern könne, ebenso wie Katharina Brashnikov, die als Mutter von Lissa ihren Standpunkt erläutert, die Kinder müssten schon selber mit ihren Problemen fertig werden, daraus würden sie doch nur lernen.

Ein rundum gelungenes Projekt. Zahlreiche Mitwirkende haben sowohl auf als auch hinter der Bühne dazu beigetragen, dass viele Zuschauer letztlich im Stehen applaudierten und die Theatergruppe enthusiastisch feierten. Die große Freude über diesen Erfolg konnte man ihnen ansehen. Sie hätten es verdient, dass auch Zuschauer außerhalb der Verwandtschaft den Weg auf sich nähmen, um ihr Stück anzusehen. Eine Gelegenheit gibt es noch: Heute, Mittwoch, 20. Juli. um 20 Uhr in der Aula der ehemaligen Grundschule Schrobenhausen.