Aichach
Terrier zerbeißen Reh

Jägerin ließ Hunde in fremdem Revier frei laufen – 400 Euro Strafe

19.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:54 Uhr

Aichach (SZ) Zu einer Strafe von 400 Euro wurde kürzlich eine Jägerin verurteilt: Sie hatte ihre beiden Terrier in einem Revier frei herumlaufen lassen.

Die 53-Jährige hatte wegen dieser Ordnungswidrigkeit einen Bußgeldbescheid über 400 Euro erhalten. Da sie diesen ungerecht fand, nahm sie sich einen Anwalt und legte Einspruch ein. So kam es zur Verhandlung vor Richter Walter Hell in Aichach. Die Frau berichtete, sie gehe seit Jahren mit den beiden sechs und neun Jahre alten Jagdhunden am Auensee spazieren. Nie habe es Probleme gegeben, sie lasse die Terrier dort stets von der Leine. Der eine schwimme gerne eine Runde im See.

Insofern war der 30. Januar eine fast alltägliche Angelegenheit. Die 53-Jährige berichtete, sie habe fürs Gassigehen die Mittagszeit gewählt, um nicht zu vielen anderen Hundehaltern zu begegnen. Plötzlich aber habe sie ein Wild klagen hören. Ihre Hunde rannten davon: „Die waren natürlich nicht mehr abrufbar. Es sind Jagdhunde, die müssen eine Wildschärfe haben“, stellte sie klar. Sie ging zurück zu ihrem Auto und fuhr in die Richtung, in welche die Terrier davongestürmt waren. Einer kam ihr entgegen, sie setzte ihn in den Wagen. Dann begegnete ihr ein Rentner, der seinen Schäferhund ausführte.

„Ich habe gesehen, wie die Hunde immer wieder auf das Reh eingebissen haben“, sagte dieser als Zeuge vor Gericht. „Die waren ganz blutig.“ Weil das Reh noch gezuckt habe, habe er die Terrier verjagt, mehrfach seien sie aber zurückgekehrt, bis der eine zum Auto des Frauchens gelaufen sei und der andere sich in einem Gebüsch versteckt habe. Ob wirklich die Terrier das Reh gerissen hatten oder es schon verletzt da gelegen hatte, als die Jagdhunde dazu kamen, konnte der 66-Jährige auch nicht sagen. Die Jägerin ist überzeugt, dass ihre Terrier nicht wilderten: „Der Metzger hat mir später gesagt, das Reh sei in einem Draht hängen geblieben und habe sich den Lauf abgerissen. Solche Bissspuren können meine Hunde außerdem gar nicht verursacht haben.“ Der Jagdpächter habe gemeint, in dem Gebiet gebe es öfter Ärger mit frei laufenden, wildernden Straßenhunden, um die sich eigentlich Tierschützer kümmerten. Ihre Vierbeiner aber seien ausgebildete Jagdhunde, die darauf trainiert seien, ein verletztes Wild durch einen Biss in die Kehle zu töten, neben einem erlegten aber still sitzen zu bleiben.

Der Rentner wählte, als er das leidende Reh entdeckte, sofort den Notruf und bat die Polizei, wegen eines Gnadenschusses anzurücken. Doch die Jägerin klärte die Sache auf ihre Weise. Nachdem auch sie mit den Beamten Rücksprache gehalten hatte, „fing“ sie das Reh mit einem Stich ihres Taschenmessers in den Atlasknochen ab – anders ausgedrückt, wie Richter Hell es formulierte: „Umbracht hat s’es halt.“ Da der Jagdpächter das Stück nicht wollte, weidete sie es zu Hause aus und brachte es zum Metzger, der es zu Hundefutter verarbeitete.

Verteidiger Miguel Bertoll forderte einen Freispruch für seine Mandantin. Schließlich habe sie ihre Hunde oft in der Gegend am Auensee frei laufen lassen, nie sei etwas passiert, sie habe nicht damit rechnen können, dass sich dort Wild aufhalte. Hell jedoch meinte, natürlich sei das Ableinen vorsätzlich geschehen, ja sogar absichtlich, und wer seine Hunde außerhalb eines eingezäunten Areals von der Leine lasse, müsse damit rechnen, dass sie sich seinem Einflussbereich entzögen. „Stellen Sie sich vor, da begegnen die Hunde außerhalb Ihres Einflussbereichs einem blutenden Kind. Oder jemandem, der krankhafte Angst vor Hunden hat. Der verhält sich dann „falsch“, wie Hundehalter ihm vorwerfen, und der Hund beißt zu. Aber nicht der Spaziergänger muss lernen, wie man sich gegenüber Hunden verhält, sondern der Hundehalter!“ Dazu gehöre, Vorschriften wie diese, dass Hunde nicht außerhalb des Einflussbereichs des Halters in Jagdrevieren frei laufen gelassen werden dürften, einzuhalten.

Obwohl nach eingehender Verhandlung eigentlich klar war, dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid keinen Erfolg bringen würde, zog ihn die Jägerin nicht zurück, sondern ließ es auf das Urteil und die damit verbundenen höheren Kosten (etwa Gerichtsgebühren) ankommen. Wie ihr Verteidiger andeutete, könnte es sein, dass man in die nächste Instanz gehe. Vorbestraft ist sie wegen der Ordnungswidrigkeit nicht, und auch ihr Jagdschein ist nicht in Gefahr.