Tennis ohne Zukunft

09.01.2009 | Stand 03.12.2020, 5:17 Uhr

Gähnende Leere: Die Zeiten, in denen Stars wie Boris Becker und Steffi Graf für einen Boom sorgten und die Tennishallen in Deutschland füllten, sind längst vorbei. Die Tennishalle in Dietfurt wird zwangsversteigert. - Fotos: Meßner

Dietfurt (DK) Alex Steger steht vor den Trümmern seiner Existenz. Am 26. Januar wird am Amtsgericht in Nürnberg im Saal 216/II um 10.30 Uhr unter der Geschäftsnummer 10 K 770/07 sein Herzblut versteigert: die Tennishalle.

Dabei hatte der passionierte Tennisspieler damals im Jahr 1992 geglaubt, alles richtig zu machen. Es war die Zeit, in der die deutschen Tennisspieler den Sport prägten. 1991 standen sich Boris Becker und Michael Stich im Finale von Wimbledon, dem renommiertesten Turnier der Tour, gegenüber, bei den Damen hieß die Siegerin Steffi Graf – bereits zum dritten Mal. Das löste einen bis dato noch nicht da gewesenen Boom aus. Plötzlich wollte jeder Tennis spielen, Vereine konnten sich vor Aufnahmeanträgen kaum retten.

Und Alex Steger war mittendrin. Als Tennislehrer profitierte er von den vielen Hausfrauen und Unternehmern, die nun zum Schläger griffen. "Ich habe damit rund 30 000 Euro Umsatz im Jahr gemacht", erzählt er. So war es für ihn kein Problem, die Tennishalle in Dietfurt zu übernehmen. Zunächst hatte er das 2663 Quadratmeter große Areal mit Halle, Gaststätte und Wohnungen gepachtet, ein Jahr später dann mit Hilfe eines Darlehens gekauft. Jetzt steht die Tilgung an: 20 000 Euro. "Das geht nicht mehr", sagt Steger resigniert.

In einer Sackgasse

Seit 17 Jahren verkörpert Alex Steger die Tennishalle in Dietfurt, jetzt steht der Betrieb vor dem Aus. "Wenn sich bei der Zwangsversteigerung ein Käufer findet, weiß ich nicht, wie es weitergeht", sagt er. Sollte sich kein Käufer finden, erklärt Steger, sei mit der Bank vereinbart, dass der Betrieb vorerst weiterlaufen könne. "Auch die Bank hat kein Interesse an einem leerstehenden Gebäude", stellt Steger fest. Der 45-Jährige steckt in einer Sackgasse. Er kann zwar die laufenden Kosten bestreiten, aber an eine Rückzahlung des Kredits ist nicht zu denken.

Dabei lief bis 2004 alles weitgehend nach Plan. Bis zu seiner Berufsunfähigkeit. Seine lädierten Sprunggelenke ließen eine Arbeit als Tennislehrer nicht mehr zu. "Kein Problem, habe ich mir gedacht. Ich bin ja versichert", erzählt er. Doch die Versicherung stellte sich quer, Steger zog vor Gericht und verlor. Die Niederlage kann Steger bis heute nicht fassen. Sie entschied sich quasi im Tie-Break des letzten Satzes. Vor der Entscheidung habe der Richter noch einen Vergleich in Höhe von 100 000 Euro angeboten. Steger hätte akzeptiert, doch der Versicherungskonzern lehnte ab. Der Tenniscrack ging siegessicher in die Urteilsverkündung und verließ den Gerichtssaal konsterniert. Steger: "An diesem Tag habe ich mein Vertrauen in die Justiz verloren." Statt eine monatliche Rente von der Versicherung zu bekommen, blieb er auf den Prozesskosten sitzen.

Nun folgte auch noch ein familiärer Schicksalsschlag: Seine Ehe wurde geschieden. Zurück blieb nicht nur das persönliche Trauma, sondern auch ein beruflicher Verlust. Seine Frau hatte in der Tennishalle tatkräftig mit angepackt. Er stand mit leeren Händen da und die Bank verlangte ihr Geld zurück.

Der Tennisboom gehört längst der Vergangenheit an, die Stars von einst kennt kein Kind mehr. Der Tennisstern ist verglüht und Bum-Bum-Boris spielt lieber Poker oder Golf. Dementsprechend flau ist die Auslastung der Tennishalle.

Alex Steger versucht trotz der schlechten Lage nach vorn zu blicken, doch er sieht momentan keine Perspektive. "Ich warte zunächst mal den Termin für die Zwangsversteigerung ab", sagt er. Der Verkehrswert für das Areal mit der Tennishalle beträgt 310 000 Euro. Sollte sich ein Käufer finden, könnte Alex Steger anderntags auf der Straße stehen. Doch daran glaubt er nicht. Die Fläche, auf der die Tennishalle steht, wurde laut Steger in einer jüngsten Studie vom Wasserwirtschaftsamt als potenzielles Hochwassergebiet ausgewiesen. Er hält es daher für unwahrscheinlich, dass sich ein Käufer finden wird.

Alex Steger bleibt nichts anderes übrig als weiterzuarbeiten, jeden Tag zwölf bis 16 Stunden, ohne einen Ruhetag und ohne Zukunft.