Ausgburg
Tanz in der Stille

Mal betörend, mal beunruhigend: Das Augsburger Ballett zeigt "Dimensions of Dance. Part 2"

16.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:40 Uhr
Spiel von Masken und Gesichtern: Szene aus "yourFace" mit Gustavo Barros und Franco Ciculi in Augsburg. −Foto: Fuhr

Augsburg (DK) Verwandelt der Körper nur die Idee in Bewegung? Oder verwandelt am Ende die Bewegung den Körper zu einer neuen Idee? Solche Fragen kann sich der Zuschauer bei der neuesten Ballettproduktion des Staatstheaters Augsburg stellen, dort werden nach dem begeistert aufgenommenen Programm aus dem Vorjahr erneut "Dimensions of Dance" gezeigt.

Auch "Part 2" begibt sich auf den Weg herauszufinden, auf welche Arten Körper und Musik zueinander finden können - und es gibt viele, die selbst mit diesem zweiten Teil längst noch nicht alle ausgeleuchtet sein dürften.

Das Programm vereint drei Choreografen und vier Stücke. Die Klammer bilden zwei Choreografien von Augsburgs Ballettdirektor Ricardo Fernando. Seine "Tanzminiaturen" eröffnen den Abend. Spiegel und Einspielungen verweisen den Zuschauer auf das Aufwärmen und das Tanztraining, aus den ungeordneten Übungen erwachsen mehr und mehr formvollendete Bilder zu formvollendeter Musik: Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen bilden den Hintergrund zu den teils verblüffend kurzen Miniaturen, die häufig in geradezu klassischen Bildern enden und dem Publikum im Martinipark vereinzelt Seufzer entlocken. "Schön", raunt es durch die Reihen.

Weder schön, noch zum Seufzen angetan ist "yourFace" von Peter Chu, dafür bringt der Amerikaner die mit Abstand spannendste Choreografie des Abends auf die Bühne. Das Spiel von Masken und Gesichtern, von körperlich greifbarer Verfremdung unterlegt er mit einem eigens für und mit dem Stück entwickelten Sound (Djeff Houle). Er besteht aus musikalischen Versatzstücken, eingesprochenen Texten, die selbst mitunter mehr Stimme als Inhalt sind, manchmal mehr Rhythmus als Musik, bis zum kompletten Verstummen. Eine schwere Aufgabe für das Ensemble, dem zwischendurch nur noch die Stille zu bespielen bleibt. Es meistert das - wie alle Dimensionen des Tanzes, die an diesem Abend gezeigt werden - bravourös. Die Tänzer verschmelzen zu einer Gruppe aus Wesen, geschlechtslos, kreatürlich und robotisch zugleich, rhythmisch und homogen. Diese fein nuancierte Choreografie verfehlt ihre beunruhigende Wirkung nicht. "Tanz ist nicht abstrakt, er geht uns körperlich an", schreibt Dramaturgin Vera Gertz im Programmheft. Peter Chus Stück zeigt nicht weniger als das.
Anschließend scheint Cayetano Sotos früher entstandenes "Beginning After" fast eine Replik auf "yourFace" zu sein, auch wenn er musikalisch (Georg Friedrich Händel) kaum weiter entfernt sein könnte. Auch hier sind die Tänzer eher Wesen als Männer und Frauen, mehr eins als getrennt. Soto lotet die Grenzen von Traum und Realität aus, changiert zwischen Wirklichkeit und Erinnerung, fast neigt der Zuschauer dazu, sich dabei selbst zu vergessen. Umso drastischer wirkt der Schlusspunkt von Ricardo Fernando. Mitunter scheint in "Nacht" die Musik den Tanz zu dominieren. Fernando setzt auf teils wuchtige Impressionen und kraftvolle Massenszenen, aber auch auf drei wunderbare Duette, die den Mitgliedern des Ensembles noch einmal die Möglichkeit geben, ihr ganzes Können zu zeigen. So unterschiedlich die Choreografien in "Dimensions of Dance. Part 2" auch sind, es verbindet sie eines: Tänzerinnen und den Tänzer, denen zuzusehen ein echtes Vergnügen ist, wie ein jubelndes Publikum bestätigte.

ZUM STÜCK


Theater:
Staatstheater Augsburg
Choreografie:
Ricardo Fernando; Peter Chu; Cayetano Soto
Dauer:
2 Stunden 30 Minuten
Nächste Vorstellungen:
17., 20. April, jeweils 19.30 Uhr; 28. April, 18 Uhr.
Kartentelefon:
(0821) 324-4900
 

Carina Lautenbacher