Ingolstadt
Tankstellenbetreiber auf Abwegen

In haarsträubender Geschichte macht sich 53-Jähriger beinahe zum Anlagebetrüger

28.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr

Ingolstadt (DK) Am Amtsgericht bekommt der stellvertretende Direktor Christian Veh in seinen Verhandlungen schon manche schräge Geschichte zu hören. Doch der Fall, den er gestern früh hatte, wird ihm noch länger in Erinnerung bleiben - derart haarsträubend schien das Handeln des durchaus reumütigen Angeklagten gewesen zu sein.

Der 53-jährige Familienvater aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen wagte scheinbar völlig ahnungslos einen Ausflug in die Welt der Hochfinanz. Ehe er sich versah, hatte er im Juni letzten Jahres eine Firma namens Bavaria Capital Ltd. mit Sitz mitten in London gegründet. Zudem schaltete er im Namen dieser Firma mehrere Anzeigen in überregionalen deutschen Tageszeitungen, in denen üppige Darlehen angeboten wurden: "Mindestens 25 Millionen Euro oder Dollar", trug Staatsanwältin Katharina Renner aus der Anklage vor. Angepriesen wurde in den Inseraten ein "völlig neuartiges Finanzierungskonzept", für das man sich Informationen holen konnte. Klar war: 0,7 Prozent der Darlehenssumme mussten die Schuldner als Eigenkapitalanteil anfangs einbringen. Diese Summe sollten sie mit der letzten Rate zurückgezahlt bekommen. So sagte es der 53-Jährige auch den Interessenten, die sich auf die Anzeige hin bei ihm in einer Tankstelle in der Region Ingolstadt meldeten - denn die betrieb der 53-Jährige hauptberuflich. Weil die Tankstelle für den von seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern getrennt lebenden Mann aber angeblich hinten und vorne nicht genug abwarf, war er auf die Suche nach einem Nebenjob gegangen. An "einen einfachen Bürojob" habe er gedacht. Dann flatterte ihm die E-Mail von einem gewissen Herrn Schuhmann ins Haus, der - wie sich später herausstellen sollte - angeblich in Thailand residierte. Auf dessen Betreiben hin startete der Tankstellenbesitzer letztlich sein Finanzengagement, wobei er nur die Daten der Interessenten nach Thailand weitermelden sollte; und eben die Anzeige schalten. Als der Angeklagte gestern vor Gericht dann noch erwähnte, ein gewisser Konsul Spieker sei noch an Bord gewesen, schlug Richter Veh ungläubig die Hände über dem Kopf zusammen, und es entfuhr ihm zunächst der ironische Satz: "Das wird ja immer seriöser!" Gemeint war aber natürlich: "Mit Verlaub, das stinkt doch nach Betrug!" Und mehrfach fragte Veh den Angeklagten dann: "Wie kommt man auf die Idee, als Tankstellenbetreiber Millionenkredite anzubieten" Darauf wusste sein Gegenüber natürlich keine vernünftige Antwort. Der Mann hatte sich offenkundig völlig blauäugig in das Abenteuer gestürzt - und weil er für derartige Einlagegeschäfte keine Genehmigung hatte, machte er sich strafbar, obwohl er offenkundig tatsächlich nur Handlanger war und alles "sofort wie eine heiße Kartoffel fallen ließ", als sich die Finanzaufsicht BaFin bei ihm meldete.

Die Staatsanwaltschaft und das Gericht sahen auch keinen Vorsatz bei dem verhinderten Finanzjongleur, sondern nur Fahrlässigkeit. Sie zeigten sich durchaus milde, sodass Richter Veh ("Aus der Nummer kommen Sie nicht mehr heraus") den ursprünglichen Strafbefehl über 90 Tagessätze zu je 40 Euro wegen der finanziellen Situation des Angeklagten auf die Tagessatzhöhe von 20 Euro (also insgesamt 1800 Euro Geldstrafe) senkte. Um Finanzgeschäfte, Konsuln und E-Mails aus Thailand wird der Tankstellenbetreiber sicherlich in Zukunft einen großen Bogen machen.