Hohenkammer
Symphonische Marsch-Fantasien

Die Junge Münchner Philharmonie beim Sommerfestival auf Schloss Hohenkammer

10.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:56 Uhr

Jubel für Nachwuchskünstler: Die Junge Münchner Philharmonie unter der Leitung von Mark Mast führte beim Abschlusskonzert des Sommerfestivals auf Schloss Hohenkammer Gustav Mahlers 5. Sinfonie in hervorragender Weise auf. - Foto: Bayerische Philharmonie

Hohenkammer (DK) Die etwas hochtrabend „Eventhalle“ genannte ehemalige Reithalle auf Schloss Hohenkammer hat den Charme einer Scheune. Sie ist nicht allzu groß und sieht nicht gerade wie ein Konzertsaal für klassische Symphonik aus. Das Publikum stolpert über hubbeligen grauen Teppichboden, und über den Köpfen baumelt Turngerät. Das alles allerdings ist vergessen, als die letzten triumphalen Töne von Gustav Mahlers 5. Sinfonie verklungen sind. Das Publikum springt von den Sitzen auf, ist außer sich vor Begeisterung für die hervorragende Akustik und die Junge Münchner Philharmonie unter der Leitung ihres Chefdirigenten Mark Mast. Und zwar genau in dem Moment, als der Dirigent die einzelnen solistisch agierenden Bläser aufstehen lässt und um Sonderbeifall bittet.

Es ist heikel, mit jungen Leuten ein so gigantisches Werk aufzuführen. Die technischen Anforderungen sind enorm, aber auch die interpretatorischen. Wie leicht können die vielen, oft etwas schlichten Themen von Mahler ins Banale abgleiten, wie schnell kann das berühmte Adagietto zu leichtgewichtig wirken.

Umso bewegender der lautstarke Jubel. Und er ist gerechtfertigt. Denn das etwa 90-köpfige Jugendorchester mit Musikern aus 23 Nationen verfügt über grandiose Solisten. Der Kopfsatz, ein Trauermarsch, ist ohne einen vorzüglichen Trompeter kaum denkbar. Das Jugendorchester hat einen Künstler in ihren Reihen mit golden strahlendem Ton, der die schwierige Partie makellos bewältigt. Kaum weniger imposant der junge Hornist, der im Scherzo viele Soli bewältigen muss, ebenso die verblüffend homogene Horngruppe. Und natürlich die äußerst dynamischen Schlagzeuger, der wunderbar süffig blasende Oboist. Man kommt ins Schwärmen über diese fantastischen Nachwuchsmusiker, die jeden einzelnen Bravoruf verdient haben. Und kann die Einzelleistungen kaum alle aufzählen und würdigen.

Mark Mast ist ein Schüler des bedeutenden, etwas eigensinnigen, philosophierenden Dirigenten Sergiu Celibidache (1912–1996), der vor allem berühmt war für seine moderaten Tempi. Das Vorbild ist im Konzert spürbar. Auch Mast scheint die schleppenden Zeitmaße zu lieben – was für ein Jugendorchester nicht immer sinnvoll ist. Gerade der Trauermarsch, der die fünfsätzige Sinfonie eröffnet, droht zu zerfallen, wenn ein zu langsames Tempo gewählt wird. Mast entgeht dieser Gefahr, aber er macht es den jungen Musikern nicht leicht, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen musikalischen Motiven und Gedanken herzustellen. Aber vielleicht ist das eine gute Übung. Überhaupt fällt auf, wie abgeklärt die Musiker bereits sind. Während andere Jugendorchester die brachiale Lautstärke und die schnellen Tempi lieben, spielt die Junge Münchner Philharmonie ernsthaft und äußerst kontrolliert.

Dabei dirigiert Mast vielschichtig. In den mittleren Sätzen lässt er die Wiener Ländlerseligkeit, das tänzerische Wogen der Melodien durchschimmern. Und im Adagietto gelingt ihm, einen orgiastischen Rausch zu inszenieren, ein allmähliches, aufhaltsames, immer wieder zurückgenommenes Aufblühen der Melodie. Wunderbar! Im Schlusssatz treibt er das Orchester immerzu an, mit atemlosem Drive streben die 90 Musiker dem Finale entgegen. Das ist packende Musik aus einem Guss.

Vor der Pause gibt Mark Mast noch ein kleines Kolloquium in Sachen Marschmusik: Drei sehr unterschiedliche Märsche präsentiert er. Sehr geradlinig und unproblematisch der Marsch des zwölfjährigen Richard Strauss, sein Opus 1. Dann der Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“, tragische, rauschhafte Todesmusik, mit düsterer Bläsergewalt von den jungen Musikern zelebriert. Und schließlich, wie ein Kommentar, die eher leichtgewichtige, humorvolle, zitatenreiche „Marsch-Fantasie“ von Günter Bialas (1907–1995). Besser kann man den Trauermarsch, mit dem Mahlers Sinfonie beginnt, kaum vorbereiten. Ein dramaturgisches Meisterstück zur symphonischen Glücksstunde.