Neuburg
Surreale Fantasiewelten

Horst Hitziger, einer der bekanntesten Karikaturisten Deutschlands, stellt im Schloss 20 Ölgemälde aus

17.10.2021 | Stand 23.09.2023, 21:21 Uhr
Josef Heumann
Der Archäologe und der Künstler im Dialog: Museumsleiter Matthias Pausch (l.) und Horst Haitzinger. −Foto: Heumann

Neuburg - Unter "Archetypen", so die wohl gültigste Definition, sind "archaische Bildvorstellungen der Menschheit" zu verstehen. Insofern fordern "Haitzingers Archetypen", jetzt im Neuburger Schloss zu entdecken, einen enormen Anspruch heraus. Anspruchsvoll ist es auf jeden Fall, dass das so scheinbar aus der Zeit gefallene und zugleich virulent gegenwärtige Oeuvre jetzt temporär in Neuburg Station macht. Die Nachricht schlug zumindest wie ein Bömbchen in der interessierten Kunstwelt Neuburgs ein. Der Wunsch war, dass die Arbeiten auf Dauer in der Stadt verbleiben sollten. Horst Haitzinger: "Das wäre wunderbar."

Horst Haitzinger und Neuburg und Horst Haitzinger und das Neuburger Schloss im Besonderen: Das sind schon ganz ausgezeichnete, weit über jeglichen Ausstellung- und Galeriebetrieb herausreichende Beziehungen. Der Ort hier, der Weiße Saal, von der Flämischen Galerie gerade mal eine Kurve entfernt, ist ideal. Es ist, als erführen die Alten Meister dort ihre meisterliche Fortführung hier, Archetypen eben und als solche so gestrig wie visionär zugleich. In den teils großformatigen Bildern begegnen oftmals surreale Fantasiewelten gegenständlichster Art, die zugleich so sämtliche Gesetze von Physik wie Biologie konterkarieren. Da kommt das Unterste zuoberst, erwachsen Tümpel und Meere aus den knorrigsten Bäumen und wuchert das gülden glühende Firmament tief zugrunde. Überall begegnen von der Natur schon wieder halb überwucherte Ruinen, Zeugnisse nicht untergehender Zivilisation, vielmehr Anti-Trümmerfelder und Relikte einer verklärten Zauberwelt.

Heile Welt also allenthalben. "Ja" sagt Horst Haitzinger und schreckt auch vor dem Verdikt, es sei Kitsch, eher ausweichend zurück. Ihm sei es allemal lieber, als dem Elend der Welt noch ein paar Quadratmeter auf Leinwand hinzuzufügen. Wobei, selten hat der Spruch, Kunst komme von Können, so seine Berechtigung.

Horst Haitzinger, das war für mehr als eine Generation Zeitungsleser der begnadete, der Tagespolitik jene geistreiche Pointe zuführende, die dieser selbst oft fehlte, Karikaturist. Fast schlagartig, wie er schon als Kunststudent in diesem Metier sesshaft und rasch berühmt wurde, hörte Haitzinger mit diesem Tagesgeschäft vor ein paar Jahren wieder auf. Zurückkehrte der sublim arbeitende, bei aller thematischen Verspieltheit stets auch die technische Herausforderung in seinen Arbeiten suchende Maler, der jetzt, gespickt mit dem Wissen und Können der Reife, seine Kindheitsträume ausmalen darf.

Im einführenden Gespräch mit Matthias Pausch, Leiter des Limuseums Ruffenhofen, gab Haitzinger großzügig Einblicke in seine Arbeits- und Gedankenwelt. Ein Prozess der Reife auch sei es gewesen, wieder mit dem Malen anzufangen. Irgendwie fühle er wie der in einer Arbeit launisch auch zitierte Hirtenjunge von Franz von Lenbach, Haitzinger malte opulent wie detailverliebt weiter, was dieser Junge wohl sich gerade erträumte.

Immer wieder begegnet das Motiv der Arche, wahrscheinlich Haitzingers Urmotiv schlechthin, Symbol der Errettung und "Inbegriff von Überleben." Daneben der Turmbau zu Babel, "das Symbol der Hybris" des Menschen. Der, wenn überhaupt, begegnet ausgesprochen klein von Statur nur in den größtformatigen Bildern. Auch so ein ironischer Hinweis: "Der Mensch ist in der Natur, wie ich sie sehe, bedeutungslos." Chaos und heile Welt liegen nahe beieinander - Haitzinger war ein Grüner, schon als die Politfarbe grün noch gar nicht erfunden war. Doch distanziert er sich sofort von jeglichem missionarischen Anspruch.

Oberbürgermeister Bernhard Gmehling (CSU) hatte noch einen faustdicken Knüller parat. Es sind mehr als nur Überlegungen, dass das bildnerische Werk Horst Haitzingers dauerhaft in Neuburg im Schloss heimisch werden könnte. Vorerst ist es dort bis 12. Dezember zu sehen, bis 11. November noch solo und bei freiem Eintritt, ab dann im Rahmen der Schlossbesichtigung und gegen Obolus.

DK

Josef Heumann