Süßigkeiten erleichtern den Schulstart

16.09.2008 | Stand 03.12.2020, 5:36 Uhr

So macht Schule Spaß: Für die Riedenburger Kinder war der erste Schultag eine rundum gelungene Sache. - Foto: Scharnagl

Riedenburg (DK) Nach sechs Wochen Ferien hat gestern Morgen in Riedenburg wieder die Schule begonnen. Vor allem für die Abc-Schützen war dieser Start in einen neuen Lebensabschnitt ein aufregender Tag.

Schultüten gibt es in Deutschland, Österreich und der Schweiz, in anderen Kulturen ist dieser Brauch zum Schulanfang kaum bekannt. Die Schultüte hat ihren Ursprung in Thüringen und Sachsen und wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hielt der Brauch dann seinen Einzug über das Rheinland in ganz Deutschland und schwappte nach und nach auf Österreich und die Schweiz über. Exakt 52 Schultüten waren gestern auf dem Weg zur Grundschule in Riedenburg.

Für Horst Stolze ist ein Schulbeginn auch nach 15 Jahren nicht zur Routine geworden. Seit 1993 ist der 64-Jährige Rektor der Grundschule, aber seine Nervosität an diesem Tag vermag er nur schlecht zu verdrängen. In Anwesenheit des Vize-Bürgermeisters Siegfried Lösch und der Eltern begrüßte Stolze die 52 Abc-Schützen, ehe er sie mit netten Worten über die Wichtigkeit der Schule informierte und sich für die momentane Baustelle in der Schule entschuldigte.

In zwei Klassen werden die Buben und Mädels von Konrektorin Elfriede Schmelz (1a) und Ingrid Krauth (Klasse 1b) ab heute unterrichtet. "Mit 52 Schulanfängern ist noch gewährleistet, dass sich die beiden Lehrkräfte individuell mit ihren Schülern beschäftigen können", sagt Stolze, weil er Klassen mit über 25 Kindern eigentlich nicht mehr so recht akzeptieren mag.

Die Baustelle haben die Kinder vermutlich gar nicht bemerkt, weil sie mit Freude und Spannung alles in sich aufsaugten, was um sie herum passierte. Das Schleppen der Schultüten war für sie schon ein riesiger Akt, denn spätestens in der Turnhalle wollten die Eltern damit nichts mehr am Hut haben. Der Rahmen war feierlich und man hätte eine Stecknadel fallen hören, so ruhig war es, als die beiden Geistlichen, Stadtpfarrer Karl-Heinz Memminger und Pfarrerin Evi Haußner die Erstkläsler erst über die Bedeutung der Schule unterrichteten und dann mit Gottes Segen versahen.

"Am Inhalt ihrer Schultüten lässt sich sofort erkennen, mit welchen Schwerpunkten die Eltern ihre Kinder auf die Schule vorbereitet haben", erzählt Konrektorin Schmelz. Sie unterscheidet zwischen Schultüten, die nur mit Süßigkeiten voll sind, und solchen, in denen pädagogisch wertvolle Geschenke stecken.

Die Schultüte, eine bis heute ungebrochene Tradition in Deutschland, die zwei Kriege überlebt hat. 1933 scheiterte auch der Versuch der Nationalsozialisten, eine Einheitsschultüte einzuführen. In dem "Zuckertütenbuch" für alle Kinder, die zum ersten Mal in die Schule gehen, wurde 1852 die Vorstellung verbreitet, dass es im Keller der Schule einen Zuckertütenbaum gebe, von dem der Lehrer den braven Schülern eine Tüte abpflückte. Eine andere Version besagt, dass im Hause des Lehrers ein Schultütenbaum wachsen würde, und wenn die Schultüten groß genug wären, dann sei es höchste Zeit für den Schulanfang.

Im Laufe der Zeit hat sich vieles verändert, aber die Form ist gleich geblieben: eine spitze Tüte mit runder Öffnung, die mit einer Manschette aus Krepp oder Stoff verschlossen wird. Das Füllwerk der Oberschicht-Kinder umfasste früher Zuckerstücke, Marzipan und Konfekt, während die Arbeiterklasse die Schultüten ihrer Kinder mit nützlichen Materialen für die Schule füllte.

Und wie ist es heute? Die Füllungen der Schultüte, die von Pfarrerin Evi Haußner geöffnet wurde, war in Ordnung. Unter anderem holte die Geistliche einen Apfel heraus: "Die Schule muss für die Kinder eine runde Sache werden und zum Reinbeißen gut sein."