Riedenburg
Strenge trifft auf Leichtigkeit

Ein Grabmal des Riedenburger Steinbildhauers Günter Schinn wird bei der Bundesgartenschau mit Gold prämiert

07.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:20 Uhr
Strenge Form, vielschichtiges Konzept: Mit seinem Grabmal für einen Dirigenten hat der Riedenburger Steinbildhauer Günter Schinn bei der diesjährigen Bundesgartenschau in Heilbronn eine Goldemedaille gewonnen. Im Vorfeld hat er eine 1:1-Kreide-Skizze angefertigt. −Foto: Schmied

Riedenburg (DK) Aus der Erde, in die Erde - das ist die ganze Reise. Die Zeit dazwischen nennt man Leben. Was bleibt davon am Ende? Für Günter Schinn sind es die Erinnerungen an den Menschen, der vielleicht nicht mehr leibhaftig vor einem stehen kann, im Gefühl aber gegenwärtig ist. "Ich finde den Gedanken schön, dass es, auch wenn ein Mensch gestorben ist, immer noch einen Kreislauf gibt, dass man sich ab und an Geschichten erzählt, die man mit ihm erlebt hat", sagt der Riedenburger Steinbildhauer.

Was macht ein Leben aus? Mit dieser Frage beschäftigt er sich jeden Tag, bei jedem Grabzeichen, das er anfertigt, jedes Mal anders, weil jeder Mensch anders ist. Dass er dabei den richtigen Ton trifft, hat Günter Schinn im Rahmen der Grabmalausstellung bei der diesjährigen Bundesgartenschau in Heilbronn unter Beweis gestellt. Von 66 Arbeiten gehört seine zu den acht Werken, die mit einer Goldmedaille prämiert wurden.

Aus der Erde und wieder in die Erde zieht sich das Band aus Cortenstahl um den tiefgrauen Stein. Noten sind hineingemeißelt. Willkürlich, wie das Leben eben spielt. Das Stück ist vorbei, sinnbildlich dafür liegt ein Taktstock oben auf dem hohen, schmalen Brocken. Zwischen Stahl und Stein klafft eine Lücke, ein Freiraum, Transparenz. Das fehlende Stück hat Günter Schinn vor dem Grabmal liegend angeordnet, an der Stelle platziert, wo sich wohl die Angehörigen und Freunde eines Verstorbenen treffen, wenn sie sein Grab besuchen. Es ist die letzte Ruhestätte eines Dirigenten. Und die Idee dazu entwickelte der Riedenburger bei einem Gestaltungsseminar in Ingolstadt.

Das Thema: Musiker. Bei der Umsetzung sei man sehr frei gewesen, ihn habe die Vorgabe aber angesprochen. Im Familien- und Bekanntenkreis gibt es viele Musiker. "Darum fand ich das sehr spannend." Was also macht einen Dirigenten aus? "Ich wollte etwas Fragiles, Spitzes machen. Etwas, das sowohl Strenge als auch Leichtigkeit widerspiegelt. Etwas Einfaches. Das ist in Stein schwierig umzusetzen." Schwarz ist der Stein, weil ein Dirigent oft im schwarzen Frack vor seinem Orchester steht. Schmal und hoch ist er, weil ein Dirigent seinen festen Platz hat, die Bewegung sich auf einen gewissen Rahmen beschränkt. "Ich bin der Meinung, dass es einem Stein gut tut, wenn er eine Lücke hat", beschreibt Günter Schinn. Auf Friedhöfen trifft man oft auf Wände, wenn sich ein massiver Grabstein an den nächsten reiht. Bei seinem Dirigentenstein gibt es Luft. So ist es möglich, dass die eine, durchgefräßte Note im Stahlband bei idealem Lichteinfall einen Schatten auf den Schwarz-Schwedisch wirft. Eine Spur, die der Gegangene hinterlassen hat?

Er mag das Wort Grabzeichen, weil es den Kern der Sache trifft, erklärt Günter Schinn. "Jeder Mensch hinterlässt Spuren und Zeichen." Dass es einen Ort gibt, an dem man sich an einen lieben Menschen erinnern kann, erachtet er als wichtig. Selbst, wenn sich die Friedhofskultur derzeit im Umbruch befindet, Friedwälder und Urnenwände an Beliebtheit gewinnen. Und trotzdem möchten die Angehörigen irgendwo eine Kerze anzünden oder ein Erinnerungsstück ablegen. Wo immer anonymer mit dem Tod umgegangen wird, sei es an der Zeit, neue Wege zu gehen, findet der Steinbildhauer. Ein Trauerfall habe nicht nur etwas mit Schmerz und Trauer zu tun. "Letztlich geht es um ein würdiges Andenken an den Verstorbenen." Im Zuge der Planung für die Landesgartenschau im kommenden Jahr in Ingolstadt arbeite die Steinmetzinnung an einem entsprechenden Konzept. Mehr will der Riedenburger aber noch nicht verraten.

Jetzt freut er sich erst einmal darauf, am 16. Juni seine Auszeichnung entgegen nehmen zu können - und bei dieser Gelegenheit das Grabmal zum ersten Mal in der Ausstellung zu sehen. "Bis jetzt habe ich es nicht nach Heilbronn geschafft. Ich bin sehr gespannt", erklärt er gut gelaunt. Auf die Goldmedaille ist er schon stolz. "Dass meine Arbeit so gut angekommen ist bei der Jury, das ist für mich etwas Besonderes." Ob etwas gefällt oder nicht, sei stets eine Frage des individuellen Geschmacks. "Wenn zehn Leute vorbei gehen gibt es immer den einen, der nichts damit anfangen kann." Ihm gehe es in erster Linie aber darum, dass sein Werk von einem Außenstehenden ohne viel Erklärung verstanden werden kann. Sein Anspruch ist, die Individualität des Menschen, für den der Stein ist, mittels einer reduzierten, klaren Form auf den Punkt zu bringen. Wenn er weiß, was den Menschen ausgemacht hat, ist das für ihn ein Gestaltungshilfsmittel. "Das macht es mir leicht, auf der anderen Seite aber auch schwer", sagt er. Eine Lebensmelodie einfangen ist nicht so einfach.

Mit der Bearbeitung des Cortenstahls übrigens hat Günter Schinn Neuland betreten. Geholfen haben ihm dabei Bildhauer Florian Zeitler und Andreas König. Spezielle Meisel haben sie angefertigt, damit er an den Stahl wie an den Stein herangehen kann. "Das war eine interessante Erfahrung. Man glaubt nicht, wie weich Stahl ist", zeigt er sich immer noch begeistert. Neue Wege: Die Ideen dazu werden ihm nicht so schnell ausgehen.
 

Kathrin Schmied