München
Streit über Flutpolder

13.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:02 Uhr
Ein Polizeihubschrauber fliegt nahe Deggendorfer Ortsteil Fischerdorf über dem Hochwasser. −Foto: Armin Weigel/Archiv

Ein Punkt aus dem schwarz-orangen Koalitionsvertrag sorgt schon seit Wochen für Streit: der geplante Verzicht auf drei Flutpolder an der Donau. Nun muss sich die Staatsregierung im Landtag erklären.

Die neue schwarz-orange Staatsregierung steht wegen ihres geplanten Verzichts auf drei Flutpolder an der Donau unter Erklärungsdruck. Der Umweltausschuss des Landtags verlangte am Donnerstag umfassend Auskunft, mit welcher fachlichen Begründung auf die Polder verzichtet werden soll und „mit welchen konkreten Maßnahmen jetzt die gleiche Schutzwirkung erreicht werden soll“. Den entsprechenden Anträgen stimmten am Donnerstag alle sechs Fraktionen zu. Das Umweltministerium muss dem Ausschuss nun Bericht erstatten.

Anlass der neuen, hitzigen Debatte ist eine Vereinbarung von CSU und Freien Wählern im Koalitionsvertrag, wonach auf geplante Polder in Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) sowie in Eltheim und Wörthhof (Landkreis Regensburg) verzichtet werden soll. Das hatten die Freien Wähler in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Polder sind eingedeichte Rückhalteflächen, die bei Hochwasser geflutet werden können und so erhebliche Wassermassen aus den Flüssen nehmen.

Kommunalpolitiker donauabwärts warnten in einem offenen Brief vor einem Verzicht auf die Polder, namentlich die Landräte von Deggendorf, Passau und Straubing-Bogen sowie die Oberbürgermeister von Passau und Straubing. Der Streit hatte einen Höhepunkt erreicht, als Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Landräten „Befürchtungen ohne Fakten“ und „Fake News“ vorwarf. In den Landkreisen Deggendorf und Passau hatte im Jahr 2013 ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser schwere Schäden angerichtet.

Der SPD-Umweltexperte Florian von Brunn kritisierte, Standpunkt der alten CSU-Staatsregierung sei immer gewesen, dass die Polder für den Hochwasserschutz unverzichtbar seien. Deshalb stelle sich schon die Frage, warum das nicht mehr gelte. Von Brunn mahnte, die Regierung müsse „jeden Anschein von politischer Mauschelei“ vermeiden, und verwies darauf, dass ausgerechnet in Neuburg-Schrobenhausen und Regensburg die Freien Wähler die Landräte stellten. Er wolle jetzt ja keinen Zusammenhang mit der Kommunalwahl im Jahr 2020 stellen, fügte von Brunn hinzu. „Aber ganz von der Hand zu weisen ist es nicht.“

Alexander Muthmann (FDP) kritisierte, die Menschen donauabwärts fühlten sich „ein Stück weit verlassen und geflutet“. Und es stelle sich die Frage, warum Menschen andernorts Polder akzeptieren sollten, wenn auf einige nun verzichtet werde. Rosi Steinberger (Grüne) kritisierte ebenfalls: „Die Leute sind einfach verunsichert.“ Die Grünen plädieren allerdings selber dafür, dass ökologische, natürliche Hochwasserschutzmaßnahmen Vorrang haben müssten. Ingo Hahn (AfD) warnte davor, Einzelinteressen nachzukommen, und forderte - wie der gesamte Umweltausschuss - erst einmal umfassende Informationen. Benno Zierer (Freie Wähler) warnte vor einer unsachlichen Diskussion, Martin Huber (CSU) mahnte, nicht gleich von Mauschelei zu sprechen.

Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) erklärte, er brauche „jetzt erst einmal alle Fakten“. „Ich nehme die Reaktionen aus den Regionen sehr aufmerksam zur Kenntnis“, betonte er. Aktuell würden zwei Gutachten bewertet, die sich mit der Wirksamkeit von Flutpoldern und dem Schutz der Anwohner vor Grundwasser auseinandersetzen. „Diese Gutachten müssen Teil der Debatte werden. Dann suchen wir gute, schnelle und wirkungsvolle Lösungen gemeinsam mit den Beteiligten vor Ort. Dazu werde ich auch in die Region kommen“, kündigte er an.

Aiwanger verteidigte den geplanten Verzicht auf die drei Polder. Mit Staustufenmanagement könne man sofort viel erreichen, und Polder würden erst in 15 bis 20 Jahren fertig sein, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Freitag) und mehreren anderen Zeitungen. Die Polder indes würden „Milliarden kosten und dort Schaden anrichten“.

Glauber versicherte: „Wir wollen Bayern hochwasserfest machen. Das gilt auch und gerade für Niederbayern.“ Ihm sei aber wichtig, „dass wir den Hochwasserschutz nicht nur am Thema Polder festmachen“. „Wir brauchen zügig einen umfassenden Grundschutz für die Menschen.“

dpa