Kitzbühel
Streif-Rekordsieger Didier Cuche setzt auf einen Landsmann

Streif-Rekordgewinner Didier Cuche setzt bei der Hahnenkammabfahrt auf seinen Landsmann Beat Feuz

23.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:10 Uhr
Didier Cuche −Foto: dpa

Kitzbühel - Er ist der König von Kitzbühel: Der Schweizer Skirennfahrer Didier Cuche ist mit fünf Abfahrtssiegen Rekordhalter auf der Streif, zudem triumphierte er einmal im Super-G.

Auch nach seiner Karriere kommt der 45-Jährige immer wieder in die Gamsstadt. Dort sprachen wir mit ihm über seine Sternstunden, Angst beim schwierigsten Abfahrtslauf der Welt sowie über die Favoriten der diesjährigen Hahnenkammabfahrt. Didier Cuche über. . .

... sein erstes Mal auf der Streif: Das war drei Jahre vor meinem ersten Sieg. Bei der ersten Fahrt war mir richtig unwohl am Start. Unter den ersten fünf Startern waren vier gestürzt, drei mussten mit dem Helikopter ins Krankenhaus. Das war richtig unangenehm. Ich dachte: Wenn es die Besten schon nicht schaffen, wie soll ich das überleben? Aber dann habe ich mich gezwungen zu starten, denn ich wollte auch nicht auf die Liste der Wenigen kommen, die mit der Gondel wieder heruntergefahren sind. Ich dachte mir: Die anderen haben das auch überlebt - und das werde ich hoffentlich auch. Aber das war nicht angenehm. Ich bin heil unten angekommen, aber mit fast achteinhalb Sekunden Rückstand. Im Rennen zwei Tage später wurde ich 22., das hat sich für mich angefühlt wie ein Sieg.

... seinen ersten Sieg: Drei Jahre nach meinem ersten Start in Kitzbühel habe ich 1998 die Sprintabfahrt gewonnen. Am nächsten Tag wurde ich von ganz oben Zweiter mit 14 Hundertstel Rückstand, das war für mich eine große Bestätigung.

... seinen schönsten Sieg: Die hatten alle etwas Spezielles. 1998 war es mein erster Weltcupsieg überhaupt, der zweite Platz von ganz oben am nächsten Tag war fast so viel wert wie ein Sieg. 2010 gewann ich das erste Mal auf der Originalstrecke von ganz oben bis ganz unten, einen Tag zuvor holte ich zudem den Sieg im Super-G. 2011 siegte ich mit fast einer Sekunde Vorsprung, bei Kaiserwetter, perfekten Bedingungen, mit einer perfekten Fahrt. Da bin ich richtig in den Flow reingekommen, das war ein Genuss! Drei Tage vor meinem letzten Sieg 2012 hatte ich angekündigt, dass ich am Saisonende mit dem Rennsport aufhören werde. Es gab extremen Schneefall, ich hatte bis zum Hausberg keinen Vorsprung. Das hat das natürlich ganz speziell gemacht.

... seine Stärke in Kitzbühel: Nach meinem zweiten Sieg 2008 war der Bann gebrochen. Schon bei der Anreise war da eine Vorfreude, dann eine gewisse Nervosität beim ersten Training, aber am Start fühlte ich mich immer wieder sehr stark. Zum einen, weil ich am Ende meiner Karriere gut Ski gefahren bin, aber sicher konnte ich auch von meiner Erfahrung profitieren. Wenn man in Kitzbühel eine Favoritenrolle trägt, macht das noch stärker. Man sieht das auch am Umgang der anderen Athleten mit den Top-Favoriten: das Interesse und die Neugierde, die Fragen, der Blick - das macht unheimlich stark. Auch dass ich nie in Kitzbühel gestürzt bin, hat natürlich geholfen, dass ich mich richtig gut gefühlt habe. Außerdem war ich als Schweizer immer der Jäger und nicht der Gejagte, der richtig Leistung abliefern muss, weil es vom Publikum verlangt wird. Die Österreicher haben natürlich hier extrem viel Druck, die Erwartung des Publikums ist riesig, das macht das Ganze nicht einfach.

... das Gefühl, in Kitzbühel am Start zu stehen: Man fühlt sich wie ein Rockstar bei einem Konzert. Die ganzen Menschen und das ganze Drumherum, das Tralala, die VIPs, die Tausenden von Menschen, die kommen - da darf man sich geehrt fühlen, wenn man oben am Start steht. Und wenn man dabei eine Hauptrolle spielen kann, ist das extrem schön. Ich war auch immer sehr dankbar, dass wir ein Teil dieser Show sein durften. Die 20 Minuten vor dem Start sind aber nicht die angenehmsten vom ganzen Tag, denn der Adrenalinpegel steigt extrem hoch, man muss fokussiert sein.

... Angst: Beim ersten Mal war es Angst, ich habe fast weiche Beine bekommen. Danach ist ein richtiges Angstgefühl aber nicht mehr aufgetaucht. Jeder Athlet muss schlussendlich selbst entscheiden, ob die Herausforderung zu viel oder noch okay ist. Aber das macht auch die ganze Faszination an diesem Rennen aus: Etwas Außergewöhnliches zu beherrschen macht einen gesunden Stolz bei einem Athleten. Es ist immer eine große Erleichterung, wenn man gesund im Ziel ist. Das Resultat ist praktisch egal. Natürlich ärgert man sich, wenn man das Rennen verpatzt, aber grundsätzlich soll man dankbar sein, dass man heil im Ziel ist. Mit diesem Gedanken bin ich jedes Jahr nach Hause gegangen.

... das Gefühl, als fünfmaliger Sieger nach Kitzbühel zu kommen: Man genießt das immer wieder. Ich hatte immer einen sehr fairen und schönen Bezug zum österreichischen Publikum, es kamen auch immer Tausende von Schweizern. Ich bin jetzt im Einsatz mit einigen Partnern von mir und Sponsoren vom Rennen. Wir begleiten Leute und versuchen, ihnen die Streif ein bisschen näher zu bringen. Heute habe ich im Training zugeschaut, das fühlt sich an, als wenn ich nie aufgehört hätte. Man kann alles mitfühlen, was da abgeht.

... den Ausfall von Top-Favorit Dominik Paris: Das ist extrem schade für ihn, denn er ist seit ein paar Jahren in der Form seines Lebens. Er hat schon drei Siege hier, ich hatte erwartet, dass er seinen vierten holt. So schnell geht es im Skisport, das ist brutal. Dass es bei ihm im Training passiert ist, ist fast noch bitterer.


... die Favoriten für den Abfahrtssieg am Samstag: Beat Feuz hatte den Sieg schon ein paarmal in den Händen, einmal wurde er ihm von Thomas Dreßen weggeschnappt, einmal von Paris, einmal stoppte ihn ein Sturz in der Traverse. Er hat's drauf, er wird's machen. Er ist ein cooler Hund, im Training deckt er nie alle Karten auf, er tastet sich ran, und dann im Rennen gibt er alles. Mit so einer Saison, die er hat, kann man sich nur bärenstark fühlen. Das Gefühl nimmt er mit. Der heißeste Konkurrent von Beat ist Matthias Mayer. Er ist auch sehr gut unterwegs.

... die Chancen von Thomas Dreßen: Ich bin überzeugt, dass er ein sehr gutes Rennen fahren wird. Vielleicht fährt er auf das Podest, aber ich glaube nicht, dass er gewinnt. Aber er hat bewiesen, dass es kein Zufall war, als er gewonnen hat. Seine Comeback-Saison zeigt das Potenzial, das er hat. Nächstes Jahr wird er noch regelmäßiger auf den ersten Platz fahren.

DK

Julia Pickl