Ingolstadt
Stornobuchungen wie in jedem Supermarkt?

Im Ausländeramtsprozess werden jetzt die behördeninternen Vorgänge beleuchtet

12.02.2014 | Stand 02.12.2020, 23:05 Uhr

Ingolstadt (DK) Im sogenannten Ausländeramtsprozess vor dem Landgericht sind gestern erstmals die behördeninternen Abläufe und Untersuchungen zur Sprache gekommen. Wie berichtet, versucht ein 52-jähriger Angestellter der Stadtverwaltung, in diesem langwierigen Berufungsverfahren seine Unschuld zu beweisen.

Im ersten Prozess vor dem Schöffengericht war der Mann Ende 2012 wegen Abgabenüberhebung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten Haft verurteilt worden. Bliebe es auch im neuen Verfahren bei einer Strafe von ähnlichem Kaliber und würde ein solches Urteil rechtskräftig, müsste der Rathausmitarbeiter seine Entlassung aus dem öffentlichen Dienst befürchten.

In den ersten Prozesstagen hat sich die 4. Strafkammer unter Vorsitz von Konrad Kliegl durchweg mit den Betroffenen der angeklagten 17 Vorfälle aus dem Ausländeramt befasst. Sie sagten – teils mit Hilfe von Dolmetschern – über ihre Erlebnisse mit dem Angeklagten aus, die großenteils aus dem Jahr 2010 datieren. Die Staatsanwaltschaft sieht sich nach diesen Zeugeneinlassungen abermals in ihrer Auffassung bestätigt, dass der bewusste Verwaltungsmann immer wieder für nicht gebührenpflichtige Vorgänge zweistellige Beträge von seinen Klienten genommen und offenbar in die eigene Tasche gesteckt hat.

Die Verteidigung hat von Fall zu Fall versucht, mögliche Widersprüche in den Aussagen der Zeugen zu finden oder auch die eine oder andere Erinnerungslücke aufzudecken. Rechtsanwalt Peter Gietl stellte zum Ende des gestrigen Verhandlungstages auch einen Beweisantrag, wonach er einen EDV-Spezialisten der Stadtverwaltung als Zeugen hören möchte. Nach Einschätzung der Verteidigung haben nämlich die im Ausländeramt im fraglichen Zeitraum genutzten EDV-Anlagen und Datenprogramme ihre Tücken und Aussetzer gehabt. Häufig seien wegen solcher Pannen Quittungen und Bearbeitungsnachweise zu einzelnen Fällen über den Rechner des Angeklagten ausgedruckt worden, ohne dass sein Mandant tatsächlich der zuständige Sachbearbeiter gewesen sei, so Peter Gietl.

Gerade zu diesem Punkt machte gestern auch Andreas Perlinger, Chef des Ausländeramtes, als Zeuge einige Anmerkungen. Die EDV der Verwaltung habe „immer wieder“ Probleme bereitet; sie sei „relativ störanfällig“, so der Amtsleiter. Dies sei nach seiner Erinnerung auch im Jahr 2010 so gewesen.

Mit Perlingers Einschätzung der Lage und seinen amtsinternen Veranlassungen zum Zeitpunkt der Aufdeckung der angeblichen Delikte befassten sich Gericht, Ankläger und Verteidiger gestern ausführlich. Der Amtsleiter machte sinngemäß klar, dass er zuvor zu keinem Zeitpunkt Veranlassung gesehen habe, hinter gelegentlich vorkommenden Fehlbuchungen ein System zu erkennen oder gar einen einzelnen Mitarbeiter krimineller Handlungen zu verdächtigen.

Selbst als es schließlich im Herbst 2010 zur massiven Beschwerde einer deutschen Betroffenen (mit ausländischem Ehepartner) gekommen war, hätten sich in den Akten und den gespeicherten Daten keine Hinweise auf ein Fehlverhalten des Mitarbeiters finden lassen. Es sei allerdings äußerst unglücklich gewesen, dass die Beschwerde der Frau erst mehrere Wochen nach dem beanstandeten Vorfall eingegangen sei. Bei diesem großen Abstand habe überhaupt keine Chance bestanden, etwaige falsch erhobene Einnahmen anhand der Kassenbestände im Amt zu überprüfen.

Nur rund eine Woche vor dem Vorfall, der letztlich die Ermittlungen in Gang brachte, hatte der Angeklagte eine nicht berechtigte Gebühr von einem deutsch-türkischen Ehepaar eingenommen und sogar quittiert, die er nach einer Beschwerde der Betroffenen wieder zurückerstattete. Über diesen Fall war auch eine Vorgesetzte des Mannes informiert worden, die aber offenbar keine Veranlassung sah, der Sache weiter nachzugehen – zumindest erhielt der Amtsleiter nach eigener Aussage keine Hinweise auf außergewöhnliche Unregelmäßigkeiten.

Der Angeklagte selber hatte diesen bewussten Vorgang als „ganz normalen Stornofall“ geschildert. So etwas komme ständig auch „in jedem Supermarkt“ vor.