Stimmung gegen Merkel

Kommentar

05.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:27 Uhr

Bundeskanzlerin Angela Merkel stand lange unter dem Verdacht, der einzige Kompass für ihr politisches Handeln seien die Ergebnisse von Meinungsumfragen. Das stimmte schon früher nicht, sonst wäre sie etwa mit den Banken ganz anders umgegangen, die sich durch eigenes Versagen an den Abgrund manövriert hatten.

Aber erst seit der Flüchtlingskrise fallen Mehrheitswille der Bürger und Merkels Politik auf Dauer auseinander.

Laut dem "Deutschlandtrend" der ARD sind inzwischen fast zwei Drittel der Deutschen unzufrieden mit Merkels Flüchtlingspolitik, was unmittelbar auf die Popularität der Kanzlerin drückt. Viele ihrer Parteifreunde sind darüber besorgt, auch wenn sie ihre Kritik nur verhalten äußern. Ganz anders sieht das beim Koalitions-"Partner" CSU aus. Da verlangt man lautstark einen Kurswechsel - ganz im Sinne der Wähler.

Doch von welchem Kurs ist denn die Rede? Die Kanzlerin hat ihre Träume von der Willkommenskultur für Flüchtlinge schon längst über Bord geworfen, als sie nämlich erkennen musste, dass weder andere EU-Staaten, noch die christlich-soziale Schwesterpartei, noch sehr viele Deutsche etwas von Solidarität halten.

Statt Offenheit für Menschen in Not kam deshalb das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. Dabei wird Ankara dafür bezahlt, Flüchtlinge von uns fernzuhalten. Mit Erfolg. Erreichten im Januar und Februar noch jeden Tag etwa 2000 Menschen die griechischen Inseln und damit den EU-Raum, sind es derzeit gerade noch 50 Flüchtlinge.

Was wollen also diejenigen, die heute auf einen Kurswechsel pochen? Ein Zurück zu den alten Verhältnissen mit völlig überforderten Griechen, die nur noch nach Norden durchwinken? Fast könnte man das glauben. Denn laut ARD-"Deutschlandtrend" ist die große Mehrheit nicht nur für einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik - ohne Ahnung wohin - sondern auch für eine betont schroffe Haltung gegenüber der Türkei. 80 Prozent sind strikt gegen eine Aufnahme des Landes in die EU und liegen damit auf einer Linie mit der österreichischen Regierung und Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann.

Es ist ja richtig: Eine EU-Mitgliedschaft kommt für eine Türkei nicht infrage, solange in ihr ein Erdogan wie derzeit wütet. Dafür hat die Gemeinschaft mit Kandidaten wie Ungarn und Polen schon genug Probleme. Aber lautstark Türen zuzuschlagen, ist nicht nur wenig diplomatisch, sondern ausgesprochen dumm, solange man auf die türkische Kooperation angewiesen ist, um Flüchtlinge fernzuhalten.

Meinungsumfragen mögen unterhaltsam sein, als Handlungsanweisung für vernünftige Politik taugen sie nicht. So wenig wie Politiker, die nur den Stimmungsbildern hinterherhecheln.