Hamburg
"Sterben ist ein anstrengender Prozess - wie die Geburt auch"

Die Heilpraktikerin Claudia Cardinal will mit ihrem Sterbeammen-Konzept den größtmöglichen Frieden ermöglichen

17.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:36 Uhr |
Claudia Cardinal. − Foto: privat

Hamburg (DK) Die Heilpraktikerin Claudia Cardinal aus Hamburg arbeitet als Sterbe- und Trauerbegleiterin.

An ihrer Akademie, die inzwischen Standorte in ganz Deutschland hat, bietet sie eine Ausbildung zur Sterbeamme beziehungsweise zum Sterbegefährten an.

Frau Cardinal, stammt der Begriff "Sterbeamme" von Ihnen?


Claudia Cardinal: Ja, ich habe den Begriff absichtlich gewählt. Es gibt so viele Analogien von Geburt und Sterben. Das eine Mal gehen wir in das Leben hinein, das andere Mal hinaus. Das sind die zwei natürlichsten Start- und Endpunkte, die wir haben.

Welche Reaktionen löst dieses Wort bei Leuten aus?


Cardinal: Vor ein paar Jahren habe ich noch öfter gehört: Was ist das denn für ein furchtbarer Begriff! Wenn ich heute mit jemandem im Zug ins Gespräch komme und gefragt werde, was ich beruflich mache, überlege ich mir dreimal, was ich sage. Sonst hat mir innerhalb der nächsten fünf Minuten jeder Manager die Todesfälle seines Lebens erzählt. Man sieht, dass da ein ganz großes Bedürfnis ist. Der Begriff bleibt demjenigen auf jeden Fall im Kopf.

Ist die Arbeit einer Hebamme mit der einer Sterbeamme vergleichbar?


Cardinal: Ja, Sterben ist ein anstrengender Prozess, so wie die Geburt auch. In beiden Fällen reicht es nicht, nur ein bisschen zu lächeln und zu streicheln. Manchmal muss man jemanden wie eine Trainerin begleiten. Das heißt, ich muss den anderen zur Aktivität anspornen - egal, ob er bettlägerig ist oder nicht. Denn wer weiter denken kann, kann auch weiter handeln. Ich sehe in allen Institutionen, dass die großen Probleme im Abschiedsprozess, nämlich Sorge, Furcht, Angst und Panik, fast immer medikamentös behandelt werden. Das ist für mich keine Begleitung. Es geht darum, die Ängste zu verwandeln. Eine Sterbeamme soll einen Menschen so begleiten, dass für alle Beteiligten der größtmögliche Frieden möglich wird.

Kommt es öfter vor, dass sich bei Ihnen Hebammen fortbilden?


Cardinal: Ich glaube, wir haben mehr Hebammen als Männer. Der Männeranteil liegt bei uns bei etwa zehn Prozent. Derzeit habe ich eine Gruppe, in der sogar gleich drei Hebammen sind.

Wie hat sich in den letzten Jahren das Interesse an Ihrem Angebot entwickelt?


Cardinal: Wenn die Bekanntheit wächst, nimmt auch das Interesse zu. Derzeit laufen dreizehn oder vierzehn Gruppen mit jeweils zehn, 15 Personen. Und das ist schon eine ganze Menge. Angefangen habe ich mit einer Gruppe in Hamburg, die sechs Teilnehmer hatte.

Die Fragen stellte

Angela Stoll
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