Eichstätt
Steiniger Weg zur beruflichen Integration

Für Flüchtlinge gestaltet sich die Suche nach einem Arbeitsplatz trotz Hilfen schwierig

20.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:39 Uhr

Foto: Josef Bartenschlager

Eichstätt (EK) Bis Flüchtlinge in Deutschland wirklich "angekommen" sind, müssen sie einen langen, oft steinigen Weg zurücklegen. Die Ankunft in der Bundesrepublik nach einer mitunter lebensgefährlichen Fahrt bildet nur den Ausgangspunkt für eine weitere Reise.

Deren Stationen lauten Spracherwerb, Integration, erfolgreiche Arbeitssuche. Die Hilfestellungen für Flüchtlinge sind vielfältig, doch hängt eine gelungene Integration, auch in den Arbeitsmarkt, nicht zuletzt von ihnen selbst ab.

Integration beginnt - es ist eine Binsenweisheit - mit dem Spracherwerb. Das offizielle Zertifikat gibt es im Landkreis Eichstätt aber über das Kolping-Bildungswerk. Der normale Sprachkurs umfasst 660 Unterrichtseinheiten, die auf sechs bis sieben Monate verteilt sind. Anschließend seien die meisten Absolventen auf einem Niveau, das offiziell B 2 heißt, wie Eva Dremel, die Assistentin der Geschäftsführung bei Kolping, ausführt. "Sie können sich damit auf Deutsch gut unterhalten." Das Sprachniveau ist in drei Kategorien eingeteilt: A, B und C, wobei C 2 das Niveau eines Muttersprachlers widerspiegelt. Seit 2006 führt Kolping solche Sprachkurse durch und hat dabei 400 Teilnehmer betreut.

Manch ein Flüchtling ist Analphabet und muss erst einen Alphabetisierungskurs besuchen. Der dauert 900 Unterrichtseinheiten, die um weitere 300 Unterrichtseinheiten aufgestockt werden können. Ein solcher Kurs startet bei Kolping am 20. Juni und dauert bis Ende September - 2017 wohlgemerkt.

Die Nachfrage nach solchen Kursen sei groß, sagt Dremel. Allein, es fehlen die Lehrer. Sie benötigen eine Zulassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und nicht jeder Antrag werde positiv beschieden. Die Erfahrungen mit den Flüchtlingen seien durchwachsen, wie Dremel angibt: Da gebe es die Superfleißigen, die auch außerhalb des Kurses Deutsch üben. Andere würden nur das Nötigste, wenn überhaupt, machen. Ihr Fazit: "Das ist alles vergleichbar mit einer deutschen Schulklasse." Viel liege in der Persönlichkeit der Lehrkraft. Vor einigen Tagen hat Kolping ein neues spannendes Seminar gestartet, eine Mischung aus Sprachvermittlung und Berufsorientierung, das bis 5. Januar läuft. Die Teilnehmer lernen jeden Tag Deutsch und erfahren, was im späteren Beruf auf sie zukommt. Es gibt Praxisräume, in denen Arbeitsplätze in Metallberufen oder im Handel simuliert werden. Am Ende steht ein Praktikum, das optimalerweise in einen Beruf mündet. Eva Dremel ist zuversichtlich: "Das ist eine sehr motivierte Klasse."

Solange Flüchtlinge die Anerkennung nicht in der Tasche haben, ist die Agentur für Arbeit Anprechpartner für sie. Wie der in Ingolstadt zuständige Bereichsleiter Johann Allramseder ausführt, kümmert sich die Agentur in erster Linie um Flüchtlinge mit hoher Bleiberechtswahrscheinlichkeit. Aktuell sind es im Landkreis Eichstätt rund 160 Erwachsene; dazu kommen 190 Jugendliche (Region 10), die als Ratsuchende oder Bewerber um eine Ausbildungsstelle bei der Berufsberatung gemeldet sind. Die meisten Jugendlichen sind berufsschulpflichtig und besuchen das Berufsintegrationsjahr. Im Anschluss sind in vielen Fällen weitere Fördermaßnahmen erforderlich, um eine Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen, erklärt Allramseder. Ein unmittelbarer Einstieg in eine Ausbildung sei bisher nur in wenigen Ausnahmefällen gelungen. Das Portfolio der Fördermaßnahmen ist groß (siehe eigenen Artikel). Dennoch bleibt die Integration in den ersten Arbeitsmarkt eine Herausforderung - auch bei denen, die eine Vorqualifizierung aus ihren Heimatländern haben. Die sei hier nicht unbedingt verwendbar. "Wenn jemand beispielsweise in Nigeria als Mechaniker gearbeitet hat, bedeutet das nicht, dass sein Können den hiesigen Anforderungen entspricht", lautet die Erkenntnis von Allramseder. Es gebe Ausnahmen: "In Branchen, in denen nur relativ geringe Deutsch-Kenntnisse nötig sind, bestehen auch gute Beschäftigungsmöglichkeiten."

Allramseder nennt den Hotel- und Gaststättenbereich. Auch Praktika zur Erprobung vermittelt die Agentur für Arbeit. Sollte sich ein festes Beschäftigungsverhältnis ergeben, so kann der Arbeitgeber als Ausgleich für die anfängliche Minderleistung einen Eingliederungszuschuss erhalten. Wichtig sei, nicht überstürzt das Wagnis einer Ausbildung einzugehen und den Rat von Fachleuten einzuholen.

Anerkannte Flüchtlinge, die dann Anspruch auf Sozialleistungen wie Hartz IV haben, fallen in die Zuständigkeit des Jobcenters. Dessen Geschäftsführer Jürgen Croce hat noch relativ wenig Erfahrung bei der Arbeitsvermittlung seiner neuen Klientel. Das Jobcenter beschäftigt sich zunächst damit, den Flüchtlingen das "Betriebssystem Deutschland" nahezubringen, wie sich Croce ausdrückt: regelmäßig kommen, pünktlich sein und akzeptieren, dass es auch mal eine Chefin gibt. Um den Übergang in den Beruf weniger schwierig zu gestalten, werden bei den Eichstätter Diensten Ein-Euro-Jobs eingerichtet. Zehn Plätze stehen zur Verfügung - mit der Option, die Zahl weiter hochzufahren.

Das Projekt wird am 1. Juli starten. Anfang September wird ein weiteres, auf drei Monate begrenztes Kurzqualifizierungsprojekt beginnen. Einige Flüchtlinge sind bei den Eichstätter Diensten bereits seit April beschäftigt. Wie auch Betriebsleiterin Brigitte Chmielorz betont, gehe es darum, Kenntnisse festzustellen und einige grundlegende Voraussetzungen für den deutschen Arbeitsmarkt zu vermitteln: Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. "Bei manchen klappt das vorbildlich", freut sich Chmielorz. Andere sähen erst einmal nicht ein, warum sie telefonisch Bescheid geben und einen Schein vorlegen müssten, wenn sie wegen Krankheit nicht zur Arbeit kämen.

"Einige tun sich schwer mit Strukturen", hat die Betriebsleiterin erkannt. Oder die Sache mit den Bewerbungsunterlagen, die ein Unternehmen zwingend haben möchte. "Das ist für Flüchtlinge komplett neu. Manche verstehen gar nicht, was wir wollen." Anderen geht das ganze Prozedere zu langsam - sie werden ungeduldig. "Die persönlichen Vorstellungen sind anders als die Realität." Das müssten manche Flüchtlinge erst akzeptieren - ebenso die Tatsache, dass es neben Rechten auch Pflichten gebe.

Statt der verzwickten Seiten ihrer Aufgaben schildert Chmielorz aber lieber Erfolgsgeschichten: "Ein Herr, der in Syrien als Barrista und als Verkäufer gearbeitet hat, konnte eine Stelle in der Gastronomie finden", erzählt Chmielorz. Ein anderer hat seinen Wunschberuf bekommen: Staplerfahrer bei einer Zeitarbeitsfirma.