München (DK) Es ist eine rasante Entstehungsgeschichte, die „Dantons Tod“ verklärt – vom 21-Jährigen am Seziertisch, die ungeliebten anatomischen Studien unterbrechend, heimlich und in fliegender Hast niedergeschrieben: die Essenz seines Sinnens über die Revolution, im französischen Gewand seine eigene Situation spiegelnd, die Feinde im Nacken und die Flucht vor Augen. Andererseits: Das Stück, das unter so dramatischen Umständen entstand, galt lange Zeit als unspielbar.
Erst 67 Jahre nach der Entstehung wurde es uraufgeführt, als seinen jungverstorbenen Autor längst die Erde bedeckte.
Womöglich ist es dem nahen-den Büchner-Jahr geschuldet – 2013 wäre sein 200. Geburtstag zu feiern –, dass jetzt „Dantons Tod“ auf der Bühne des Volkstheaters zu sehen ist. Ansonsten kann der Schauspielabend das Versprechen seiner Notwendigkeit leider nicht einlösen.
Denn das Museale aufzubrechen, den Staub der Geschichte wegzupusten, die Bresche in unser „Heute“ zu schlagen, war offensichtlich kein Impuls für die Stückwahl. Intendant Chris-tian Stückl hat sich der Regie selbst angenommen und einen ungewohnt steifen Abend inszeniert. Stefan Hageneier schuf als Ambiente hierfür eine Bühne als lichten Lattenverschlag, Zerstörung atmend und mit eigenartigem Bauschutt übersät, historisierende Kostüme und Zopfperücken runden das Bild ab. Und kein Kontrast in Sicht: Was auf diesen kargen Brettern stattfindet, ist Erzähltheater altmodischer Bauart – schwer atmend kommt das Stück voran.
Danton (Pascal Fligg) hat den Glauben an die Revolution verloren. Seine Lebenslust ist ihm abhandengekommen über all dem Morden und Huren, das einst im Glauben an die gute Sache begann. Robespierre hingegen, Kampfgenosse aus den Anfangszeiten, will die Revolution weiter vorantreiben, ein Exempel statuieren und Danton zusammen mit seinen drei Freunden hinrichten lassen. Und dass ihm dies gelingen wird, daran kommt nie der leiseste Zweifel auf – obwohl Jean-Luc Bubert ihn als geifernden und bei allem todernsten Eifer ständig die Lächerlichkeit berührenden Schreihals in Uniform zeichnet. Diese Beschuldigten wollen ja gar nicht gerettet werden!
Sie stecken in zu großen Uniformen, die überwiegend jugendlichen Schauspieler des Volkstheaters, und sie wissen nicht, was sie tun (sollen). So wird chargiert, gebrüllt und verzweifelt zusammengebrochen, was das Zeug hält.
Die Revolution und ihr Drama haben nichts Glanzvolles. Mordmaschine und Bleigrab, schrecklich, zum Weglaufen. Und tatsächlich scheint sich die Regie von Grabesschwere befreien zu wollen, wenn sie nach einer Dreiviertelstunde Spielzeit das positiv gezeichnete, zukunftssehnsüchtige Paar (Mara Widmann und Sohel Altan G.) einige energiegeladene Runden im Kreis rennen lässt – auf der Flucht vor Büchner.
Nach der Pause, wenn die Delinquenten nur noch der Gang zum Schafott vom Ende des Theaterabends trennt, kippt dann ihre Stimmung – sie spenden sich in kumpeliger Brüderlichkeit Mut und Trost und zelebrieren Scherze, bevor sie sich nacheinander zur Enthauptung aufmachen.
Hier entstehen einige wirklich luzide Momente. Auch der Handlanger der Revolution St. Just (Stefan Ruppe) kann voll überzeugen, und die berückende Schauspielkunst Mara Widmanns, die der im Textumfang kleinen Rolle der Lucile das Maximum an Innigkeit, Tiefe und Gespaltenheit abzugewinnen vermag, versöhnt dann doch mit diesem Abend.
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