Statt "Auf geht’s" hieß es "Bitte einsteigen"

04.11.2007 | Stand 03.12.2020, 6:22 Uhr

Die Eichstätter Bummelbahn. Die letzte Fahrt der Schmalspurbahn zwischen Stadt und dem so genannten Hauptbahnhof startete am 6. Oktober 1934 um 12.23 Uhr. - Foto: Repro: je

Eichstätt (HK) Mit viel Diplomatie haben die Eichstätter für eine Schienenverbindung von der Stadt zur Bahnlinie von München nach Nürnberg gekämpft. Die Züge dampften nämlich ab den 1870er Jahren in nur drei Kilometer Luftlinie entfernt an der Kreisstadt vorbei.

Der erste Schmalspurzug rollte am 15. September 1885. Im Winter 1881 hatte der Kreuzertisch Eichstätt in einem Fastnachtsseufzer gedichtet: "Zu Eichstätt, höret die Geschichte – Kommt jetzt eine Tramway hin…"

Die Strecke war 5,17 Kilometer lang, wofür der Zug etwa 25 Minuten brauchte, da anfangs nur mit 15, später mit 30 Stundenkilometer gefahren werden konnte. Schon bald ging deshalb der Spottvers um: "Schlagbruck’, Hofmühl, Rebdorf, Wasserzell – Wer über’n Berg geht, is’ grad so schnell." Umgekehrt: "Wasserzell, Rebdorf, Hofmühl, Schlagbrück’ – Wanns’d neikummst, hast a Sauglück".

Halteplätze, so die damalige Bezeichnung für die Stationen, waren Eichstätt-Stadt, nach 1245 Metern Schlagbrücke, nach 348 Metern Hofmühle, nach 1036 Metern Rebdorf am Steg, nach 1820 Metern Wasserzell und nach weiteren 720 Metern der "Hauptbahnhof". Nach dem Umbau der Gleise auf Normalspur und dem Graben des Tunnels bei Wasserzell ging das Feuer unter dem Kessel des "Bockerls" am 6. Oktober 1934 in den Mittagsstunden aus – die letzte bayerische Schmalspurbahnstrecke war Geschichte.

Im Sommer waren die Bahnstrecken stärker frequentiert als im Winter. Die Reichsbahn gab deshalb im Juni 1933 Anweisungen für das Personal heraus. So durften die Kondukteure (Schaffner) die Reisenden nicht mit Bemerkungen wie "gemma" oder "auf geht’s" oder gar "schlaft’s net ein" und dergleichen anreden, sondern mit "bitte einsteigen". Bei Verspätungen war zu rufen: "Bitte schnell einsteigen, Zug hat Verspätung".

In den Zügen darf seit September 2007 nicht mehr geraucht werden. Eine Meldung vom 2. April 1929 trägt die Überschrift: "In der Eisenbahn wird mehr geraucht". Deshalb wurde bei der Zusammenstellung der Wagen je die Hälfte der Wagen für Raucher und Nichtraucher bereitgehalten "und die bei ungeraden Zahlen überschüssigen Wagen oder Abteile werden als Raucherabteile bestimmt."

Probleme gab es bei der Bahn mit Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ab 1933 mit der Einführung des "Deutschen Grußes", bei dem der rechte Arm gehoben werden musste. "Zur Vermeidung irriger Signalauffassung" wurde bestimmt, dass außerhalb der Gebäude auf dem Bahngelände der militärische Gruß anzuwenden ist. Das Armheben hatten Lokführer als Befehl zum Abfahren verstanden.

Hopfenzupfer bekamen in den 1930er Jahren eine 50-prozentige Fahrpreisermäßigung. Die nötigen Formulare wurden in den Bahnhöfen und Arbeitsämtern ausgegeben.

Etwa bis in die 1960er Jahre gab es in Eichstätt (und andernorts) die Bahnsteigsperren. Wenn jemand eine Person bis zum Zug begleiten wollte, musste er eine Bahnsteigkarte lösen. Diese sahen wie Fahrkarten aus, hatten aber links und rechts blaue Streifen. Der Preis betrug zum Schluss 20 Pfennig; darin war eine Versicherung enthalten, falls etwas passieren sollte. Laut einer Mitteilung der Reichsbahn vom Januar 1934 musste für einen Hund, der mit auf den Bahnsteig genommen wurde, auch ein Billett gelöst werden, selbst dann, wenn der Vierbeiner auf dem Arm getragen wurde.

Zwei Fälle sind überliefert, bei denen führerlose Lokomotiven durch die Landschaft fuhren; das war allerdings nicht mehr in der Schmalspurzeit. Es war Ende der 1930er Jahre, als der Oberlokomotivführer Franz Hawlata während seines Pfingstspaziergangs eine unbesetzte Dampflokomotive beim Stadtbahnhof in Richtung Kipfenberg zockeln sah, die immer schneller wurde.

Er ging, so schnell er konnte, zum Bahnhof und alarmierte seine Kollegen an den Stationen entlang der Altmühltal-Express-Strecke. Erst in Kipfenberg konnten die Weichen so gestellt werden, dass die Lok auf ein Nebengleis rollte und angehalten wurde.

Dann 1954. Im Bahnhof Solnhofen hatte sich eine Rangierlok selbstständig gemacht, als der Führer die Schlusslichter kontrollierte. Die "Maschin" rollte immer schneller dahin Richtung Dollnstein. Der dortige Bahnhof wurde verständigt und die Eisenbahner handelten sofort. Eine zufällig unter Dampf stehende Lokomotive wurde der Ausreißerin entgegengeschickt, und gleich hinter Dollnstein kam die Lok auch schon an. Der Dampfzugfahrer legte den Rückwärtsgang ein, ließ sie sanft auflaufen und bremste sie ab.

Unter "Eisenbahnidylle" meldete die Volkszeitung/ EICHSTÄTTER KURIER am 9. November 1932 einen Vorfall, der für die Beteiligten gar nicht lustig war. Der Personenzug 217 von München nach Nürnberg war in den Bahnhof Eitensheim eingefahren. Der Fahrdienstleiter wollte dem Lokomotivführer mit dem "Befehlsstab" (Kelle) zu verstehen geben, dass er etwas weiter vorziehen sollte.

Der Führer sah darin aber ein Abfahrtszeichen und dampfte los – die beiden Schaffner standen auf dem Bahnsteig in Eitensheim. Per Telefon wurde der Bahnhof Tauberfeld verständigt, er solle den Zug anhalten. Das wurde gemacht. Dem Lokomotivführer blieb nichts anderes übrig als rückwärts nach Eitensheim zu dampfen und das Personal zusteigen zu lassen. Bemerkung der Zeitung: "Eine Idylle aus den Kinderjahren der Eisenbahn."

Nach dem Ende der "Bockerlbahnzeit" wurden Ende November 1934 ein paar Waggons 3. Klasse von Lastwagen über die Spitalbrücke, die Residenz und das Buchtal durch die Stadt geschleppt. Sie wurden zum Steinbruch der Firmen Karl und Neumeyer befördert und dienten den Steinbrechern als Unterkunft beim Brotzeitmachen.