Manching
Stammtisch live

BR-Sendung "Jetzt red i" gastierte am Mittwochabend in Manching

12.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:54 Uhr
Pochen auf die Zusage des Innenministers: Ingolstadts Bürgermeister Albert Wittmann (Mitte) und Manchings Bürgermeister Herbert Nerb (links) bestehen darauf, dass das Transitzentrum spätestens 2025 geschlossen wird. Danach wollen sie das Gelände kaufen. Rechts neben Wittmann sitzt Pfaffenhofens Landrat Martin Wolf. −Foto: Fotos: Hammer

Manching (DK) Die BR-Sendung "Jetzt red i" gastierte am Mittwochabend in Manching. 140 Zuschauer diskutierten dabei mit Joachim Herrmann (CSU) und Margarete Bause (Grüne) über Asylpolitik. Ein Thema, das im Grunde zu komplex für 45 Minuten Sendezeit ist.

Die, um die es ging, saßen knapp fünf Kilometer Luftlinie entfernt in ihren Stuben in der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne - und hatten vermutlich keine Ahnung davon, dass ihretwegen das Bayerische Fernsehen am Donnerstag nach Manching gekommen ist. Mit ihnen wurde an diesem Abend nicht geredet. Aber dafür umso mehr über sie. In diesem Aspekt unterscheidet sich die BR-Sendung "Jetzt red i" nicht von anderen Fernsehformaten.

Und doch ist sie anders. Sie hat mehr den Charakter eines live übertragenen Stammtischs, bei dem die Bürger zu Wort kommen sollen. Garniert wurde das Ganze mit zwei Politikern - Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der nun auch den Titel "Integrationsminister" trägt, und Margarete Bause von den Grünen, früher Fraktionsvorsitzende im Landtag, jetzt Bundestagsabgeordnete.

"Schnellere Abschiebungen, bessere Integration - Was muss sich an der Asylpolitik ändern?" Ein Thema, das so ungefähr jeden Aspekt irgendwie miteinbezog und es dementsprechend schwierig machte, geradlinig zu diskutieren. Die Klammer hieß Asylpolitik - und die ist bekanntermaßen ziemlich komplex. Von Transitzentren über Sachleistungen, Abschiebung, dezentraler Unterbringung bis zu Ausbildungsmöglichkeiten für Flüchtlinge wurde alles angerissen - aber angesichts der knapp bemessenen Sendezeit von 45 Minuten auch nur entsprechend kurz und oberflächlich.

Die 140 Plätze in der "Arena" in der Manchinger Turnhalle reichten nicht aus, zahlreiche Interessierte hatten keine Karte mehr ergattert. Denn auch zweieinhalb Jahre nach Beginn der sogenannten Flüchtlingskrise ist es nach wie vor offenkundig: Jeder hat eine Meinung. Und viele wollen diese auch kundtun, am besten öffentlich. Ein gesellschaftlicher Konsens scheint weit entfernt. Da war zum Beispiel Willibald Schels. "Alle Wege führen nach Deutschland", konstatierte er. "Komisch." Und: Die Leistungen für die Flüchtlinge seien zu hoch, von dem Geld würden die Menschen doch nur ihre Schulden bei den Schleppern bezahlen. Die bundesweit geplanten Ankerzentren nach Manchinger Vorbild begrüßt Schels. "Damit die Leute auch wieder weggehen." Ganz anders beurteilte Gudrun Winter die Lage, die für die Caritas im Manchinger Transitzentrum arbeitet. "Die Atmosphäre ist bedrückend, beängstigend und belastend." Müsste sie in dem Lager leben, wäre sie "spätestens nach drei Wochen psychisch am Ende".

Während Margarete Bause das Leben in derlei Kasernen als "entwürdigend" bezeichnete, in denen die Menschen ihrer Rechte beschnitten würden, argumentierten andere: Die Soldaten hätten früher doch auch dort gelebt. Und sich nicht beschwert. So ging es weiter mit den gänzlich unterschiedlichen Ansichten. Gabriele Störkle, Leiterin der Asylberatung im Caritas-Zentrum Pfaffenhofen, bemängelte, dass einige zu lange im Manchinger Lager bleiben müssten. "Manche sind seit Herbst 2015 da." Die dezentrale Unterbringung in Bayern sei ein "Erfolgsmodell" gewesen. Minister Herrmann wiederum berichtete, die durchschnittliche Bleibedauer in Manching läge bei viereinhalb Monaten - so lange könne man problemlos abwarten. "Da muss man noch niemanden integrieren." Die Sicherheitslage? Wurde ebenfalls kontrovers diskutiert. Während ein Anwohner berichtete, dass er kein Unsicherheitsgefühl verspüre, sagte ein anderer, seine Frau sei während der Arbeit im Lager bedroht worden. "Die haben nichts zu verlieren."

Und dann wurden noch gefährliche Halbwahrheiten verbreitet: Bause sagte, den Flüchtlingen im Transitzentrum würden Deutschkurse verwehrt - was zumindest für Kinder nicht zutrifft. Nach Auskunft der Regierung von Oberbayern wurden außerdem für berufsschulpflichtige Asylsuchende zwischen 16 und 21 Jahren zwei Sprachintensivklassen eingerichtet. Und Herrmann erzählte, die Asylbewerber könnten im Lager Grund-, Mittel und Berufsschule besuchen. Tatsächlich gibt es nur jahrgangsübergreifenden Unterricht, um vor allem Deutsch zu lernen, sogenannte Übergangsklassen. Der Freistaat hatte sogar verhindern wollen, dass Kinder in Ingolstadt die Regelschule besuchen - und scheiterte vor dem Münchner Verwaltungsgericht.

Und so blieb letztlich der Eindruck, dass viel gesagt wurde, aber nur wenig, was man nicht vorher schon mal irgendwann gehört hatte. Am Rande, auf den Stufen der Turnhalle, saßen derweil zwei Männer, die auffielen - weil sie die einzigen Schwarzen waren. Matthew Ugwoke aus Nigeria und Josef Prah aus Ghana leben schon seit Jahrzehnten in Deutschland. "Hier wird viel über Flüchtlinge gesprochen, aber nicht darüber, wie sie sich fühlen. Viele sind traumatisiert. Ihnen wurden Versprechungen gemacht, was sie hier in Deutschland vorfinden. Aber das existiert so nicht. Da sind Probleme vorprogrammiert", sagt Prah.

Verena Belzer