Stadttürmer Kugler war auch Musiklehrer

07.12.2007 | Stand 03.12.2020, 6:17 Uhr

1940 verließen sechs Absolventen die Städtische Musik- und Volkssingschule Eichstätt. Im Bild (von links): Hans Lutz, Hans Liepold, Martin Lehmeyer, Gustl Achatz, Georg Rehm und Engelbert Braun. - Foto: privat

Eichstätt (EK) Das Musizieren hat in Eichstätt eine große Tradition, was durch die Hofhaltung der Fürstbischöfe bedingt ist. Der "Theresien-Musik-Verein" lud im Dezember 1836 zu einer "musikalischen Produktion", in jüngerer Zeit waren es die "Standparaden" des Eichstätter Militärs, die Zulauf bekamen.

Interessant ist, dass es in den 1930-er Jahren eine Städtische Musikschule gab, die Berufsmusiker heranbildete. Einer der Absolventen ist Georg Rehm vom Frauenberg. Ihn hat die Musik sein Leben lang begleitet, und er sagte: "Es war ein Sauglück, dass ich Musiker war." Als er in russische Kriegsgefangenschaft geriet und in Estland im Lager landete, musste er in den Ölschieferbrüchen arbeiten. An den Wochenenden aber schlüpfte er tatsächlich "in piekfeine Klamotten mit weißen Joppen und Fliege" und wirkte in der Lagerkapelle mit. Das habe das Leben schon leichter gemacht, meinte er.

Im Eichstätter Wochenblatt vom 16. Januar 1856 wurde die Eröffnung einer Städtischen Musikschule durch den Magistrat angekündigt. Den Unterricht erteilte der Stadttürmer Franz Kugler. Daran konnten zwölf- bis 16-jährige Söhne der Einwohnerschaft teilnehmen. Die Schulgebühr betrug einen Gulden; Kinder "unvermögender Eltern" wurden kostenlos ausgebildet. Später wurde das Unterrichtsangebot auf Buben von neun bis 16 Jahren ausgeweitet, wie dem Adressbuch von 1907 zu entnehmen ist.

Im Jahr 1927 gaben neun Privatpersonen Musikunterricht: Anton Bacherle (Frauenberg), Marie Falkenstörfer (Ostenstraße), Gustav Ferchland (Büttelgasse), Katharina Kroiß (Römerberg), Fritz Schmid und Josef Schmid (beide Kugelberg), Maria Schnepper (Frauenberg), Sofie von Vinzenti (Gabrielistraße) und Karl Weigel (Westenstraße). Josef Schmid war zugleich städtischer Musikmeister und Leiter der Musikschule.

Unter der Überschrift "Pflege von Musik und Gesang" stehen im Adressbuch: Konzertvereinigung und Liedertafel (Vorsitzender Justizrat Michael Morhard), Kreuzertisch (Kaufmann Anton Rothdauscher), Orchester-Verein (Kirchenrat Hermann Pracht), Philisterverband der Akademischen Gesangsvereine (Studienprofessor Josef Bleicher) und Wanderer (Gerichtsobersekretär Wilhelm Resch).

Am 7. Mai 1936 waren an der Städtischen Musik- und Volkssingschule 75 Schüler eingeschrieben, von denen zehn angaben, Berufsmusiker werden zu wollen. Die anderen kamen, um das Spielen auf einem Instrument zu erlernen. Der Hintergrund war, dass das im Aufbau begriffene Militärwesen Musikanten benötigte.

1938 befand sich die Schule in der Luitpoldstraße C 242 (Gastwirtschaft Ludwig Stark, heute Nr. 3), später im Haus Notre-Dame. In einem Prospekt der Schule, unterschrieben von Bürgermeister Dr. Walther Krauss und dem fachlichen Schulleiter Joseph Knörl, heißt es: "Die Schule nimmt einen wichtigen Platz im Musikleben der Stadt und der Umgebung ein. Tüchtige Instrumentalisten sollen herangebildet werden." Angeboten wurden sämtliche Streich-, Holz- und Blechblasinstrumente, Zither, Laute, Gitarre, Mandoline und Handharmonika. Ferner wurden bei den Zöglingen die Grundlagen des Dirigierens, der Melodie- und Harmonielehre sowie der Gehörbildung gelegt.

Vier Schuljahre

Der Schulbesuch dauerte vier Jahre. Im Abschlusszeugnis vom 16. März 1939 von Georg Rehm sind neben einem Wortgutachten folgende Fächer aufgeführt: Streichinstrument, Blasinstrument, Harmonielehre, Musikgeschichte, Formenlehre, Instrumentenkunde, Gesang, Klavier, Englisch und Kammermusik. Wie er erzählte, wurde er nach Regensburg zum Vorspielen bestellt und bekam einen Posten als Regimentsmusiker.

Das Musizieren ließ ihn nicht mehr los. Rehm spielte in den Kriegsjahren, in Gefangenschaft und in den Jahren danach, zum Beispiel im Erholungsheim für Kriegsheimkehrer im Café "Schönblick", in der Kapelle Lutz und in anderen Tanzkapellen. Übrigens: Auch Kapellmeister Hans Lutz ist Absolvent der Städtischen Musik- und Volkssingschule.

In einem Zeitungsbericht über das Abschlusskonzert der Schule vom März 1940 unter der Überschrift "Eichstätt pflegt deutsche Tonkunst" heißt es: "Beethoven gab mit der Symphonie Nr. 1 den feierlichen Aufklang. Ein wohl geschulter Orchesterkörper widmete sich unter Leitung von Musikmeister Josef Schuster dem großen Werk." Die Einstudierung der Lieder für die Kleinen oblag Fräulein Keis. Bei Stücken von Mozart und Weber erwiesen sich die Solisten Georg Rehm und Engelbert Braun als wirkliche Könner, begleitet wurden sie am Flügel von Fräulein Mila Müller.

Die Schüler von Musikmeister Josef Schuster, der aus Dorfen stammte, und, ehe er in Eichstätt antrat, 16 Jahre in Pappenheim wirkte, verdienten ihren Lebensunterhalt nicht nur beim Militär. Viele Ehemalige gründeten eigene Kapellen, sie spielten bei den Bamberger Symphonikern, beim Bayerischen Rundfunkorchester oder beim Bayerischen Nationaltheater.