Ingolstadt
Stadtratssitzungen für die ganze Welt

Landesdatenschutzbeauftragter hat Bedenken gegen eine Ingolstädter Livestream-Mediathek - OB Scharpf widerspricht

27.08.2020 | Stand 02.12.2020, 10:40 Uhr

Ingolstadt - Der Stadtrat hat im Juli einstimmig beschlossen, dass die Sitzungen auch in Zukunft per Video-Livestream ins Internet übertragen werden.

In der Wahlperiode zuvor hatte es nur für einige Jahre (bis 2018) einen Audiostream gegeben. Seit die Vollversammlung corona-bedingt im Festsaal des Stadttheaters tagt, sind Bild-Übertragungen technisch einfach, weil die Redner bei einer Wortmeldung an eines der zwei Pulte treten, auf die Kameras gerichtet sind. Dadurch wurden auch datenschutzrechtliche Bedenken entkräftet, denn jeder Stadtrat, jede Stadträtin weiß: Wer nach vorne schreitet, ist damit im Internet zu sehen. Argwöhnische Betrachter raunen allerdings, dass die Sitzungen deswegen länger dauern.

OB Christian Scharpf (SPD), der den Video-Livestream in seinem Wahlprogramm stehen hatte, strebt außerdem eine Mediathek an, in der alle Stadtratsdebatten gespeichert werden, damit die Bürger einzelne Punkte (oder wer mag auch die gesamte Sitzung) etwa am Feierabend oder Wochenende anschauen können. Denn welcher Berufstätige habe schon die Zeit, stundenlange Sitzungen, die oft um 13 Uhr beginnen, live im Internet zu verfolgen, argumentiert der OB. Doch es gibt ein Problem: Der Landesdatenschutzbeauftragte lehnt die Ingolstädter Stadtrats-Mediathek ab; er sei da "recht restriktiv".

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat dem Ingolstädter OB die Bedenken diese Woche in einem Schreiben mitgeteilt. Scharpf hat es auf seiner offiziellen Facebook-Seite veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: "Bei der Direktübertragung einer Bürgerversammlung im Internet würden Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihrer Mimik und Gestik sowie ihren Redebeiträgen im Wortlaut weltweit abrufbar. " Dies könnte dazu führen, so der Minister weiter, dass sich "die Teilnehmer gegebenenfalls nicht mehr unbefangen und spontan äußern werden".

Scharpf schreibt dazu: "Diese Argumentation stammt noch aus dem 20. Jahrhundert. Wir sind jetzt im digitalen 21. Jahrhundert. Andere Städte haben auch eine Mediathek. " Außerdem gehe es in Ingolstadt nicht um Bürgerversammlungen ("Da mag die Situation anders sein"), sondern um Stadtratssitzungen. Scharpf weiter: "Wir wollen hier nichts ,Unanständiges', sondern es den Bürgerinnen und Bürgern lediglich erleichtern, die Debatten aus dem Stadtrat zu verfolgen. Das stärkt die Transparenz, die Offenheit und damit die Demokratie. " Es sei schließlich der Vorteil einer Mediathek, dass die Bürger den Stadträten bei der Arbeit zuschauen können, wann immer sie wollen. Der OB kündigt an: "Auch wenn das nicht unser drängendstes kommunalpolitisches Problem ist, werde ich da nicht locker lassen. "

Herrmann teilt auch mit, das Ingolstädter Anliegen zur Prüfung in die nächste Novelle für die Bayerische Gemeindeordnung miteinzubeziehen.

sic